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„Bemüht euch!“

Foto: M. Morgenstern
Foto: M. Morgenstern

Anselm Rose, der Sultan von Brunei möchte ein Sinfonieorchester gründen und sucht einen künstlerischen Berater. Wie würden Sie gegenüber der Auswahlkommission Ihre zehn Jahre in Dresden zusammenfassend darstellen?

Ich würde vorausschicken, dass ich mich für künstlerische Visionen gar nicht richtig zuständig fühle. Aber ich kann natürlich bewerten, ob eine künstlerische Idee zum Ensemble passt und ob sie sich verkaufen lässt. Dafür bin ich ja auch in Dresden engagiert worden etwa gleichzeitig mit Herrn Frühbeck. Er war der künstlerische Leiter der Dresdner Philharmonie: die Stärke seines Namens, seine Reputation, seine dirigentische Qualität waren beispielhaft.

Wie haben Sie die Situation der Philharmonie wahrgenommen, als Sie nach Dresden kamen?

Als ich hierher kam, habe ich mich sehr gewundert. Ich hatte große Lust auf Dresden, auf dieses erstklassige Konzertorchester, aber: warum war das Konzertsaal-Thema zum so-und-sovielten Male politisch beerdigt worden? Das Orchester wurde damals nicht nach Tarif bezahlt; im Gegenteil, Stellen waren gestrichen worden oder eingefroren. Insgesamt hatte der Klangkörper ein angestaubtes Image. Die Außenwirkung war meiner Meinung nach nicht zeitgemäß.

Gab es denn auch positive Eindrücke, auf denen Sie Ihre Arbeit aufbauen konnten?

Es gab ein Orchester, das wunderbar spielte, und ein Publikum, das ihm treu ergeben war. Die vordringlichen Aufgaben waren daher das Konzertsaal-Thema, die Bezahlung der Musiker, das Thema internationale Tourneen. Für die inhaltlichen Schwerpunkte holte ich die Konzertdramaturgin Karen Kopp. Wir wollten ganz verschiedene Facetten aus dem Orchester herausholen. Die bisherigen Konzertreihen, die eine jahrzehntelange Tradition waren, unterschieden sich kaum noch. Also mussten wir neue Konzepte entwickeln, die zu den alten Strukturen passten.

Das will die Auswahlkommission jetzt genauer wissen.

Da nenne ich mal die Idee „Komponist und Interpret“: da hatten wir zum Beispiel Lera Auerbach oder Jörg Widmann zu Gast. Wir haben gemeinsam mit anderen Orchestern Auftragskompositionen bestellt, bei Sofia Gubaidulina oder Rodionova Schschedrin. Michael Nyman hat uns eine Filmmusik geschrieben für unsere Film-und-Musik-Reihe. In einer konventionallen Programmierung werden solche zeitgenössischen Werke in einen bekannten Kontext gebettet, der sie quasi erträglich macht. Das schadet in meinen Augen beiden Werken. Es sei denn, es ist dramaturgisch geboten. Uns ging es aber schon darum, die Neugier von Publikum und Künstlern zu wecken und besondere, auch: herausfordernde Ereignisse zu schaffen, auch wenn sie vielleicht auch nicht ausverkauft sind.

Was sollte der Sultan noch wissen und beachten?

Er muss sich über das Bauwerk für sein neues Orchester im Klaren sein! Die schönsten Töne nutzen nichts, wenn sie für den Hörer nicht erfahrbar werden. Also muss zeitgleich ein erstklassiger Konzertsaal her. Und die Bezahlung der Musiker ist wichtig. Dann kommen die besten und bleiben auch! Und dann sprechen wir darüber: Was wollen wir anbieten? Gibt es ein künstlerisches Profil oder ein Alleinstellungsmerkmal wie der altdeutsche Klang der Dresdner Orchester? Wie vermitteln wir das? Nicht nur rein werblich, sondern auch welches Image soll rüberkommen? Mir war das bei der Philharmonie sehr wichtig: die Musiker sind die Stars! Ich habe sie immer mit hochwertigen Portraits in den Vordergrund gestellt. Das fördert die Identität. Es bringt das Orchester sympathisch rüber.

"Es stellte sich relativ zügig heraus, dass Herr Sanderling und ich unterschiedliche Vorstellungen hatten" (Foto: V. Braunschweig)
„Es stellte sich relativ zügig heraus, dass Herr Sanderling und ich unterschiedliche Vorstellungen hatten“ (Foto: PR)

Ein erstklassiger Konzertsaal ist nun in der Tat in Dresden auf den Weg gebracht worden. Dennoch haben Sie vor zwei Jahren verkündet, Ihren Vertrag als Intendant nicht über 2014 hinaus verlängern zu wollen. Gab es damals einen aktuellen Anlass?

Das Orchester hatte sich damals recht spontan für Michael Sanderling als neuen Chef ausgesprochen. Wir beide haben uns intensiv über seine Pläne und die künstlerische Perspektive ausgetauscht. Es stellte sich relativ zügig heraus, dass Herr Sanderling und ich unterschiedliche Vorstellungen hatten…

…Zwischenfrage: Sie selbst hatten dem Orchester Vorschläge unterbreitet, wer Frühbeck de Burgos nachfolgen könnte. Sanderling war nicht darunter gewesen, auch Markus Poschner nicht, dem die Dresdner einen frischen, bezaubernden Beethoven-Zyklus verdanken?

Nein. Das Orchester hatte sich in einer geheimen Abstimmung für ihn als Kandidaten für das Amt des 1. Gastdirigenten ausgesprochen; und gerade seine Sicht auf Beethoven war so einzigartig, dass wir getrost den Parallelzyklus mit Kurt Masur machen konnten. Gerade wenn das Repertoire häufig wiederkehrt, braucht man diese verschiedenen Perspektiven.

Sie sprachen von unterschiedlichen Vorstellungen, die Sie und Sanderling hatten.

Ja, es ging um künstlerische, und künstlerisch-organisatorische wie beispielsweise Orchesterbesetzungsfragen. Unsere Gespräche bestärkten mich in dem Eindruck, dass ich eine grundsätzlich andere Auffassung zur Unternehmensstrategie habe, das heißt, wo die Stärken und Aufgaben und die Zukunft des Orchesters liegen. Insofern legte das meine Entscheidung nahe, intensiv und gut bis zum Vertragsende für die Philharmonie zu wirken und für eine Vertragsverlängerung nicht zur Verfügung zu stehen. Auch wenn es für mich bedeutete, mein Lieblingsprojekt, den neuen Konzertsaal, nicht mehr verantwortlich zum Ziel führen zu können.

Welche positiven Entwicklungen können Sie insgesamt in der Rückschau verbuchen?

Bei den vordringlichsten Themen der Philharmonie, das sind ein neuer Konzertsaal und eine tarifgerechte Bezahlung, kann ich mich jeden Tag aufs Neue freuen, dass diese Fortschritte erzielt werden konnten, indem sich in der Stadt Entscheider in Politik und Verwaltung, Freunde und Förderer fanden, die die Entwicklung mit vorangetrieben haben. Nach dem Abgang des ehemaligen Chefdirigenten Marek Janowski war das sehr schwierig. Der Haustarif sollte zum letzten Mal 2008 gekündigt werden. Gottlob sind diese Fragen vom Tisch. Insofern verlasse ich die Philharmonie in dem Bewusstsein, ein gut bestelltes Haus zu hinterlassen, mit großen Perspektiven für die Musikerinnen und Musiker, die sie sicherlich zu nutzen wissen.

Sprechen wir über Perspektiven. Wohin zieht es sie ab dem 1. Januar 2015?

Ich bleibe in der Musik. Ein halbes Jahr werde ich erst mal nichts Berufliches machen und mich meiner Familie widmen. Ich habe fast zwanzig Jahre durchgepowert, mit den üblichen Orts- und Positionswechseln. Im Herbst 2015 wird es dann weit weg von Dresden gehen.

Brunei?

Nein, ganz so weit auch wieder nicht.

Bevor Sie gehen: was schreiben Sie dem Kultur-Dresdner noch ins Stammbuch? Und was „Ihrem“ Orchester, der Philharmonie?

Bemüht euch, dass man euch für eure künstlerische Arbeit und Qualität wertschätzt und darüber hinaus auch noch sympathisch findet. So schafft ihr Relevanz. In der Politik gibt es wechselnde Mehrheiten, aber das kulturelle Leben der Stadt wie auch das der Philharmonie wird ungeachtet dieser Mehrheiten getragen von dem „bildungsbürgerlichen Humus der Stadt“, eine Wortschöpfung von mir. Es ist wichtig, dass es diesen Humus gibt: die Unterstützung für die Philharmonie muss aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Schließlich haben auch die Bürger und Bürgerinnen dieser Stadt seinerzeit das Orchester gegründet. Der Auftrag der Philharmonie ist, das musikalische Versprechen an die Menschen dieser Stadt zu erfüllen: ihr könnt Großartiges von uns, von eurem Orchester, erwarten!

Eine gekürzte Fassung des Interviews ist am 16. Dezember 2014 in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen.