In diesem Jahr stellte die Sächsische Staatskapelle Dresden ihr Programm zeitig vor. Noch vor den Osterfestspielen in Salzburg fand sich das Leitungsteam des Orchesters in der VW-Manufaktur ein, um den neuen Spielplan der Saison 2015/16 vorzustellen. Spektakuläres bleibt diesmal aus – es gibt keine (Dresdner) Heroen zu würdigen, und das Rad wird bekanntlich in Dresden nicht neu erfunden. Chefdirigent Christian Thielemann setzt auf die Tradition seines 467 Jahre alten Orchesters und führt vieles Bewährte fort, setzt dabei auf die Stärken des Ensembles und zeigte sich in der Pressekonferenz einmal mehr begeistert von seinen Musikern und einer Zusammenarbeit, die ihm „großes Vergnügen“ bereite.
Dazu gehört etwa der Bruckner-Zyklus mit dem Chefdirigenten am Pult, mit dem auch die Saison eröffnet wird. Diesmal wird es die 6. Sinfonie A-Dur sein, die Thielemann erstmals überhaupt dirigieren wird. Der erste Gastdirigent Myung-Whun Chung setzt seinen Mahler-Zyklus fort und wird dessen 6. Sinfonie a-Moll im 2. Sinfoniekonzert aufführen; mit der 1. und 4. Sinfonie führt er die Kapelle auf eine Tournee durch Asien im November 2015. Thielemann dirigiert weiterhin Werke von Richard Strauss, Max Reger sowie eine Uraufführung von Peter Ruzicka: „Elegie“ – Erinnerung für Orchester (2014). Das Konzert zum Dresdner Gedenktag 2016 leitet Thielemann ebenfalls, auf dem Programm steht dann Ludwig van Beethovens „Missa Solemnis“.
Neu besetzt werden die Positionen des Capell-Virtuosen und des Capell-Compositeurs. Der US-amerikanisch-israelische Pianist Yefim Bronfman bekleidet das Virtuosenamt in der neuen Saison, in deren Verlauf er alle Beethoven-Klavierkonzerte zu Gehör bringen wird. Komplettiert wird der Beethoven-Konzertzyklus – in Gänze mit Thielemann am Pult – mit dem Tripelkonzert, bei dem Anne-Sophie Mutter und Lynn Harrell die Streichersolopartien übernehmen und dem Violinkonzert, das Nikolaj Znaider interpretieren wird. Bronfman übernimmt zudem ein Klavierrecital und begleitet die Staatskapelle zu mehreren europäischen Gastspielen.
György Kurtág heißt der neue Capell-Compositeur – mit ihm wird eine herausragende Künstlerpersönlichkeit unserer Zeit gewürdigt. Mit dieser freudigen Nachricht ist aber gleich die kleine Bitternis verbunden, dass es kein neues Werk für die Staatskapelle des ungarischen Komponisten, der im nächsten Jahr seinen 90. Geburtstag begeht, geben wird – Kurtág arbeitet derzeit an einem großen Opernwerk. Indes wird die Begegnung mit seinen wenigen für Orchester entstandenen Arbeiten intensiv und sicher auch die Wirkung der benachbarten Werke beeinflussen. In den Konzerten erklingen insgesamt sechs Werke, darunter drei deutsche Erstaufführungen.
Schaut man die Programme der Sinfoniekonzerte an, so begegnet man einigen bekannten Namen, aber auch manch neuem Gesicht (in den Aufführungsabenden gibt es gleich vier Dirigentendebuts). Ein geschätzter „Wiederkehrer“ ist Herbert Blomstedt, der nicht nur im 10. Sinfoniekonzert gemeinsam mit Peter Serkin Max Regers Klavierkonzert f-Moll aufführen wird, er bestreitet auch das traditionelle Gastspiel des Gustav Mahler Jugendorchesters zum Auftakt der neuen Saison und wird am 24. August 2015 Anton Bruckners monumentale 8. Sinfonie dirigieren. Frank Peter Zimmermann ist der Partner von Alan Gilbert im 3. Sinfoniekonzert mit Schostakowitschs 2. Violinkonzert, auf welches die 4. Sinfonie von Peter Tschaikowsky folgt. Der Jubilar Jean Sibelius ist mit der 1. Sinfonie (Dirigent Donald Runnicles) im 4. Sinfoniekonzert vertreten, Robin Ticciati widmet sich der Musik des „Fin de siècle“ mit Mahler, Sibelius, Ravel und Debussy. Gespannt sein darf man auch auf die Gäste Andris Nelsons und Manfred Honeck, die mit Schostakowitschs 8. Sinfonie, Zimmermanns Trompetenkonzert (Håkan Hardenberger) oder Szymanowskis 1. Violinkonzert (Christian Tetzlaff) Akzente setzen werden.
Dass die Staatskapelle den 100. Jahrestag der Uraufführung der ihr gewidmeten „Alpensinfonie“ von Richard Strauss begeht, ist nachvollziehbar – am 21.10.2015 wird also erneut die Windmaschine durch Straussens Berggewitter in der Semperoper wirbeln. In den Schatten gestellt werden dürfte dieses Ereignis aber fast durch das Gastspiel des 91jährigen Pianisten Menahem Pressler im selben Konzert, der damit sein Semperoper-Debut gibt (!) und Mozarts spätes B-Dur Klavierkonzert interpretieren wird. In weiteren Sonderkonzerten gibt es bekannte Formate wie das Adventskonzert des ZDF in der Frauenkirche (Dirigent Daniele Gatti) oder das Silvesterkonzert. Letzteres präsentiert diesmal aber keine Operette, sondern mit Lang Lang und George Gershwin einen pianistischen Jahresausklang. Rudolf Buchbinder kehrt mit einem Sonderkonzert zu seinem 70. Geburtstag zurück und begleitet die Kapelle auf Tournee aus ebendiesem Anlass. Einen Festakt zum 800jährigen Bestehen des Kreuzchores gestaltet die Staatskapelle ebenso aus wie ein Sonderkonzert zum Gründungstag der Kapelle, das mit Alessandro de Marchi am Pult in die Barockzeit zurückweist – selbigem Genre wird auch Reinhard Goebel 2016 im Palmsonntagskonzert erneut nachgehen, dann mit Stücken, die sich mit Maria Josepha, der Schwiegertochter von August dem Starken beschäftigen.
Kammerkonzerte – an denen sich zwei Mal auch die Giuseppe-Sinopoli-Akademie der Staatskapelle mit jungen Musikern beteiligen wird, die Reihe „Kapelle für Kids“ und Tourneen in die europäischen Musikmetropolen und gleich zweimal nach Asien ergänzen das umfangreiche Programm, das die Staatskapelle Dresden 2015/2016 präsentieren wird – für Beethoven-Freunde wird diese Saison sicher ein Muss, für alle anderen gilt es, sich die Perlen herauszusuchen: der Ticketverkauf startet am 13. März um 10 Uhr. Den gesamten Konzertplan kann man sich auch als pdf ansehen.
Foto: Matthias Creutziger