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Große Begeisterung und ein Wermutstropfen: 2. Internationale Ballettgala in Nürnberg

Gute Nachrichten von den Ballettkompanien und Tanzsparten an den Theatern und Opernhäusern in Deutschland sind nicht selten. Besonders gute Nachrichten in letzter Zeit immer wieder vom Ballett des Staatstheaters Nürnberg. Goyo Monteros Arbeit als Ballettdirektor und Chefchoreograf trägt Früchte. Jetzt zum zweiten Mal, initiiert durch den Förderverein Ballettfreunde Staatstheater Nürnberg e. V., eine internationale Ballettgala, an zwei Abenden volles Haus, begeistertes Publikum. Goyo Montero und seine Kompanie eröffnen den Abend und beschließen ihn, im Programmverlauf noch ein Trio und ein Solo, damit wird sicher nicht die ganze Bandbreite dieser Arbeit zu präsentieren sein, auf jeden Fall aber ein Einblick, ein Anreiz, sich die nächsten Termine der Premieren zu notieren.

Fernanda Oliviera und Yonah Acosta in „Le Corsaire“

Zunächst aus der Choreografie „Black Bile“ die Kompanie mit „Flow my Tears“ zum Song von John Dowland. Das ist ein toller Anfang. Die bestens aufgelegte, klassisch sicher grundierte Gruppe, sicher mit den Anforderungen moderner Ästhetik vertraut, im tänzerischen Spiel mit Licht und Dunkelheit, mit dem Streben nach Höhe und dem Rückzug in die Tiefe, beeindruckende Versuche, im Tanz räumliche und physische Begrenzungen zu überwinden. Mit der temperamentvollen Passage „What if I never speed“ aus dem gleichen Stück geht der Abend zu Ende, noch einmal die Kompanie in Bestform zu rockig interpretierter Musik von Dowland, musikalisch und tänzerisch eine Grenzüberwindung, wie sie wohl nur diesem Genre der Küste so intensiv zu eigen ist. Hingerissen ist das Publikum vom exzellenten Trio „Come again“ aus Monteros „Benditos Malditos“ mit Hirotaka Seki, Sául Vega und dem hier bestens bekannten und offensichtlich sehr gern gesehenen Gast aus Dresden, Jón Vallejo. Zu Verdis „Ave Maria“ aus „Otello“ tanzt Sayaka Kado ein bewegendes Solo aus „Desde Otello“, ebenfalls eine Kreation des Hausherrn.

Den Reigen der Gäste eröffnen Myriam Simon und Alexander Jones vom Stuttgarter Ballett mit einer Uraufführung. Zu Arvo Pärts „My heart’s in the highlands“ hat Katarzyna Kozielska für die beiden ersten Solisten ein sehnsuchtsvolles Duett kreiert, welches sie auch höchst sensibel vorstellen. Die Gäste aus Stuttgart werden dann noch mit einem Klassiker begeistern, mit dem Pas de deux aus „Onegin“ von John Cranko, immer wieder erstaunlich, auch nach 50 Jahren, Crankos völlig staubfreie Kunst, Beziehungen, hier die letzte Begegnung einer starken Tatjana mit einem gedemütigten Onegin, so kunstvoll wie spannend zu gestalten. Aus London, vom English National Ballet, sind Fernanda Oliviera und Yonah Acosta angereist, zunächst mit einem lyrischen Pas de deux aus „Le Corsaire“, dann mit einem Bravourstück, als Kitri und Basil, aus „Don Quixote, wiederum eine Choreografie von Marius Petipa zur Musik von Léon Minkus. Na ja, da könnte man schon im ausverkauften Nürnberger Opernhaus die berühmte Stecknadel fallen hören, wenn die Tänzerin mit klassischer Bravour bei ihren Pirouetten regelrecht abdreht und für den Tänzer bei seinen so athletischen wie artistischen Sprungvarianten für Momente die Schwerkraft nicht zu gelten scheint.

Jón Vallejo in „Benditos Malditos“

Was technische Eleganz ist, Virtuosität und Kraft, mit charmanter Leichtigkeit vollführt, das zeigen Anna Ol und Alexey Lubimov vom Moskauer Stanislawski Ballett mit ihrer atemberaubenden Interpretation des Pas de deux „Schwarzer Schwan“ aus Schwanensee. Zu Beginn des zweiten Teils ein Glanzpunkt neoklassischer Tanzkunst: Anja Behrend und Stephan Bourgond vom Les Ballets de Monte Carlo tanzen die Balkonszene aus Prokofjews „Romeo und Julia“ in der Choreografie von Jean-Christoph Maillot. Und Maillot gestaltet diese Begegnung der Liebenden mit der Leichtigkeit einer unbeschwerten Ausnahmesituation von Freiheit inmitten einer unfreien Situation. Das können die beiden wunderbaren Solisten berührend vermitteln, aber ebenso auch die kleinen Momente der hier noch spielerisch gemeinten Vorwegnahme des tragischen Ausgangs dieser Geschichte. Das ist von berührender Intensität, wenn hier noch im Scherz mit der Verblüffung scheinbarer Leblosigkeit gespielt wird. Zur Musik seines Bruders Otto und zum berühmten Kanon von Johann Pachelbel hat Jiří Bubeníček seine Kreation „Canon in D Major“ geschaffen. Gemeinsam mit seinen Kollegen vom Dresdner Semperoper Ballett, Fabien Voranger und Jón Vallejo tanzt er dieses Stück zur Musik des wohl berühmtesten Nürnberger Komponisten der Barockzeit. Das Publikum versteht diese Geste und folgt gespannt diesem Trio der Tänzer, die zunächst jeweils auf einen Scheinwerfer zu, geradewegs ins Licht gehen um dann, wenn dieser verlischt, zum Publikum gewandt solistisch und gemeinsam durch den Tanz die herrlichsten Lichtpunkte zu setzen. Im Trio der exzellenten Tänzer atmet diese Arbeit auch in der Nürnberger Gala genau jenen Geist der Freiheit, für dessen zeitgemäße Wirkung die Beherrschung klassischer und neoklassischer Tugenden alles andere als hinderlich ist. Da tobt das Publikum vor Begeisterung und wird sich am Ende, zum Schlussapplaus, gewundert haben, dass Jón Vallejo nicht mehr dabei ist. Der Tänzer wird da schon verarztet. Unglaublich, in der ersten Passage dieser Choreografie hatte er sich verletzt, dass er sich den Fuß gebrochen hat, wird dann der Arzt feststellen. Vallejo aber tanzt seinen Part als wäre nichts geschehen auch bei den geforderten Sprüngen gibt er ganze Kraft, seine Kollegen Bubeníček und Voranger werden auch erst nach der Aufführung erfahren, was geschehen ist. So fällt ein Wermutstropfen in die überschäumende Begeisterung. Jón Vallejo, inzwischen in Dresden, gelten beste Wünsche, dem Nürnberger Ballett und seinen Gästen großer Dank für diesen begeisternden Abend einer Feier des Tanzes.

 

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