Musik zum Brennen und Schmelzen? Tonkunst, die erhitzt und gefriert? „Feuer Eis“ heißt ganz ohne Komma und Fragezeichen das Motto der diesjährigen Dresdner Musikfestspiele, die ihre Schatten schon deutlich vorauswerfen. Vom 13. Mai bis zum 7. Juni wird das Musikleben der Stadt südländisch befeuert und nordisch gefrostet. Sinnbildlich zumindest. In der hörbaren Realität sieht das ein klein wenig anders aus.
Denn zwischen heiß und kalt könnte damit beinahe alles versprochen und das meiste davon auch erfüllbar sein. Doch Intendant Jan Vogler meint gewiss etwas anderes mit diesem metaphorischen Doppel. Weg vom unsäglichen Ost-West-Konflikt will er, weg auch vom schlagzeilenträchtigen Nord-Süd-Gefälle. Im Gegensatz zu den substanzlos hohlen Politikerphrasen meint der Künstler das ernst. Und will mit „Feuer Eis“ das vielleicht Beste, was im Norden und im Süden die Welt der Musik bereichert, nach Dresden holen. Auf dass sich hier eine Melange aus kühler Nachdenklichkeit und vitaler Daseinswärme zusammenbraut.
Natürlich zielt das dehnbare Motto auf globales Oben und Unten und weitet die Himmelsrichtungen über europäische Dimensionen hinaus. So werden der Norden Amerikas und Europas Süden in Dresden verschmelzen, wo sich das Philadelphia Orchestra und das Orchester der römischen Accademia Nazionale di Santa Cecilia als diesjährige Residenzorchester mit ihren Chefdirigenten Yannick Nézet-Séguin und Antonio Pappano begegnen. Schon die nach dem Erfolg von 2014 nun zum zweiten Mal aufgelegte Festspielnacht soll auf beziehungsreiche Kontraste zwischen Feuer und Eis einstimmen.
Ein Kulminationspunkt dieser unvereinbaren Elemente dürfte das Konzert der diesjährigen Musikfestspiel-Preisträgerin werden. Nach Künstlerpersönlichkeiten wie Kurt Masur, John Neumeier, Joachim Herz, Gidon Kremer, Christa Ludwig und im Vorjahr Hilary Hahn geht die Ehrung 2015 an Mariza.
Mariza? Richtig, die Fado-Sängerin aus Mozambik, die als Kind nach Portugal kam und dort in Arouca sowie an der Geburtsstätte des Fado aufgewachsen ist, mitten in Lissabon, im Stadtteil Mouraria. Sie zählt heute zu den herausragendsten Vertreterinnen dieses Genres, hat längst mit Alben wie „Fado em mim“, „Fado Curvo“, „Transparente“, „Terra“ und zuletzt „Best of Mariza“ überzeugt und gibt Dresden – nach Madredeus mit der wunderbaren Sängerin Tereza Salgueiro im Mai 2005 – eine erneute Begegnung mit dieser Mixtur aus Saudades, jener ganz besonderen Form von Melancholie, und sehnsuchtsvoller Lebensbejahung preis.
Dresden liegt in diesem Frühjahr zwischen Norden und Süden, zwischen Feuer und Eis. Das schafft nur die Musik. Lau dürften sie also ganz sicher nicht werden, die Musikfestspiele 2015.
Bis nächsten Freitag –
Michael Ernst