„Das Triadische Ballett“ sei keine vertanzte Weltanschauung, es sei die reine Lust am Fabulieren, „ein Fest an Form und Farbe“, so hat es Oskar Schlemmer 1922 zur Uraufführung in Stuttgart formuliert. Bei einer Reise nach Stuttgart im Februar dieses Jahres, wo die Staatsgalerie die bislang umfassendste Ausstellung der Werke Oskar Schlemmers zeigte, konnte ich sie sehen, die im Original erhaltenen und die dazu rekonstruierten Figuren mit den phantastischen Kostümen und Masken dieses Dreiklanges. Jetzt, bei einem Besuch in München sah ich sie tanzen, diese Figuren in den 18 Kostümen, in zwölf Tänzen: allein, zu zweit und zu dritt.
„Triadisch“ geordnet, in drei Reihen, jeweils grundiert in der farbigen Stimmung. Zitronengelb für das Heitere, das Burleske, Rosa für die festliche und getragen Stimmung und Schwarz für mystische und phantastische Szenen.
Da ist die Tänzerin im großen Rock, der wie ein Teller wirkt, dazu der Tänzer als Taucher, dessen Kostüm aber auch an ein bislang noch nicht entdecktes Wesen auf dem Meeresgrund erinnern mag. Da ist in der Rosa Reihe die Tänzerin in übereinander gefalteten konzentrischen Kreisen, dazu ihr Partner wie ein in in viele Polster aus weich wattierten Teilen gekleideter Märchenprinz, oder die Tänzer der totalen Abstraktion in der Schwarzen Reihe.
Da ist der Zauber der Commedia dell’arte, immer wieder, sei es beim Hampelmann, oder wenn Schlemmers ganz eigenwilliger Harlekin hinzu kommt, aber auch dann, wenn die Tänzerin im Rock aus Drähten, bei der Bewegung so etwas wie einen fernen Klang erzeugt.
Auch wenn die tänzerischen Möglichkeiten der Bewegung eingeschränkt sind, hier vollzieht sich weit mehr als die Vorführung einer Parade musealer Objekte. Der Spitzentanz lässt schwebende Passagen zu, es kommt sogar zu einem minimalen Pas de deux. Geometrische Vorgaben klassischer Traditionen verwandeln sich in abstrakte Formen. Die Tänzerinnen und Tänzer vom Bayerischen Staatsballett II – das ist die Münchner Junior Company – vermögen es wunderbar, diesen fernen Zauber eines Experiments aus dem Geiste der Traditionen des Bauhauses gänzlich staubfrei zu vermitteln. Das mag auch an der Musik von Hans-Joachim Hespos liegen, die zugespielt wird und eigens für die Rekonstruktion dieses Balletts von Gerhard Bohner 1977 entstanden ist. Ihre Uraufführung erlebte sie damals in der Berliner Akademie der Künste.
Jetzt in München kommt die besondere Atmosphäre im Prinzregententheater dazu, der Blick vom steil ansteigenden Zuschauerrund dieses an Bayreuth erinnernden Amphitheaters auf die optische Ferne der Bühne mit den aus umhüllendem Dunkel für Schlemmers Tanzfantasien heraus beleuchteten Kreisen. Das sind siebzig Minuten von schönster Konzentration bei leichter Heiterkeit, vor allem staunender Überraschung über diesen „Gegenentwurf zum freien Tanz“, durch den man wiederum etwas „über den freien Tanz erfahren könnte“, wie Gerhard Bohner anlässlich der Uraufführung seiner choreografischen Rekonstruktion 1977 schrieb. Bohner sagt, er sein dabei wie Schlemmer vorgegangen, „ins Studio zu gehen, sich die Teile um den Körper zu binden, auszuprobieren und so zu finden.“
Dieses vom Tanzfonds Erbe geförderte Projekt des Bayerischen Staatsballetts macht es nun mir als Zuschauer möglich, ins Theater zu gehen, zuzusehen, mich mitunter auch in dieser triadischen Ordnung wie in einem barocken Labyrinth zu verlaufen und doch am Ende, wenigstens für einen Moment, einen Zipfel vom gefundenen Tanzglück gefunden zu haben. Um den Titel eines meiner liebsten Bücher von Peter Fischli und David Weiss zu zitieren: „Findet mich das Glück?“ Ja.