Es war einmal: Ein Wasserschaden. Und dann noch einer, und noch und noch einer. Das hält der beste Keller nicht aus. Sensible Instrumente wie ein Flügel schon gar nicht. Das gute Stück war ganz verwässert. Und auch die Elektronik war hin. Licht- und Tontechnik vertragen nicht so viel Feuchtigkeit.
Dem Vermieter sollte das klar gewesen sein. Den Mietern sowiewo. Die klagten auf Trockenlegung des Kellers. Und erhielten die Kündigung – von der Stadt Dresden, der größten Kulturstadt zwischen Meißen und Pirna. Damit stand der Jazzclub Tonne quasi auf der Straße. Denn im sogenannten Kulturrathaus auf der Königstraße konnte der mehrfach ausgezeichnete Veranstalter nun nichts mehr ausrichten.
Leider ist das kein Märchen, sondern traurige Realität. Eine Tragödie. Das Liegenschaftsamt hatte dem unermüdlich für guten Jazz sorgenden Verein die Räume gekündigt, um nicht in die Pflicht genommen zu werden und dafür zu sorgen, dass künftig nicht noch mehr Wasser in die Sandsteinmauern eindringt.
Heute nun konnte ein Happy End dieser Farce verkündet werden: Der Jazzclub Tonne zieht wieder an seine Ursprünge zurück. Von dort hat er den Namen: Aus dem Tonnengewölbe des in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbauten Kurländer Palais‘. Das wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, nur das Kellergewölbe überdauerte und wurde zwischen 1979 und 1981 in zahllosen Aufbaustunden wieder freigelegt. Damit erhielt Dresden einen Ort für den Jazz. Lange bevor dieses Palais wieder aufgebaut wurde, musste der Tonne-Verein mangels Bleiberecht die denkmalgeschützte Ruine wieder verlassen, zog ins teure Waldschlösschenareal uns alsdann – nach einer Insolvenz, die sich nie wiederholen soll – in den nunmehr ebenfalls zur Legende gewordenen Tonne-Keller unterm Kulturrathaus. Als der für den Jazz dichtgemacht wurde (man hätte ja auch die Mauern abdichten können!), stand die Zukunft des Jazz in den Sternen. Zumindest für Dresden. Denn die Semperoper hatte sich ja schon längst von diesem Genre verabschiedet.
Doch plötzlich und überraschend öffnete sich (nachdem es durchaus gutgemeinte Hilfsangebote auch von anderen Konzertstätten gab) die Tür zu einem anderen Keller, den nicht nur eingeborene Jazzfreunde bestens kennen dürften. Die restaurierten Gewölbe unterm prächtig wiederhergestellten Kurländer Palais sind nämlich auch zahllosen Jazzern und Formationen aus aller Welt unvergesslich geblieben. Schlagzeuger Günter Baby Sommer, der zur Einweihung der neuen alten Spielstätte kräftig auf Becken und Trommeln einhieb, betonte, dass er nach wie vor bei seinen Konzerten überall in der Welt auf die alte Tonne angesprochen werde. Sie sei ebenso ein Aushängeschild für Dresdens Kulturleben wie Semperoper und Zwinger, zumindest bei bekennenden Meistern und Anhängern des Jazz.
Sommer, der diese Räume in den 1980er Jahren in unterschiedlichsten Besetzungen bespielte, wird nun auch das Eröffnungskonzert bestreiten, das freilich erst am 17. Oktober stattfinden wird. Bis dahin müssen die Veranstalter um Geschäftsführer Steffen Wilde noch tüchtig Hand anlegen, Bühne und Technik einbauen, um für Künstler und Publikum möglichst gute Bedingungen zu schaffen. Künftig könne er etwa die dreifache Zahl an Gästen empfangen, gab Wilde bekannt. Damit könne der Künstlerische Leiter des Tonne-e.V. nun auch ganz anders planen.
Die für den September geplanten Konzerte sollten nach Möglichkeit nachgeholt werden. Allerdings bedeute die teils neue Ausrichtung des Konzertangebots künftig auch gestaffelte Eintrittspreise, abhängig von jeweiligen Programm. Zum bisherigen Stammpublikum solle möglichst viel neues Publikum hinzugewonnen werden.
Ganz kurzfristig, geradezu märchenhaft, konnte schon der erste Programmpunkt für 2016 bekanntgegeben werden. Und das kam so: Günter Baby Sommer, seit langem Ehrenmitglied des Tonne-Vereins, lieferte just an seinem 72. Geburtstag den musikalischen Einstand für diese neuen Räume. Natürlich gab es vorab eine Menge Anrufe und Gratulationen, nicht zuletzt auch von seinen Mitstreitern aus dem legendären Zentralquartett. Die hat er sofort gefragt, ob es nach dem letzten und dem endgültig allerletzten Konzert der vergangenen Jahre nicht doch nochmal einen gemeinsamen Auftritt geben sollte, eben in jenen Räumen, in denen so viel Band-Geschichte geschrieben wurde. Natürlich hab es einhellige Zustimmung – somit wird das nächste Neujahrskonzert wiederum von den vier Altmeistern des Zentralquartetts bestritten!
Bis dahin dürfte aus dem Kurländer Palais längst ein Kulturländer-Palais geworden sein. Ende gut, alles gut? Nun, die Hexenmeister der Landeshauptstadt dürften sich derweil noch bemühen, die in ihrem Behördentrott angerichteten Schäden wiedergutzumachen. Wenn sie (bis dahin) nicht gestorben sind, geschieht das noch heute (in einem Jahr).
Aus dem Programm des neu-alten Jazzclubs:
17. Oktober – „Grand Opening“ mit Günter Baby Sommer (Dresden), Schwarzkaffee (Leipzig) und Überraschungen
22. Oktober – Céu (Brasilien)
24. Oktober – „Jazz ‘n‘ Beats Festival“ mit Get the Blessing (Großbritannien), Studtnitzky (Deutschland) und anderen
28. Oktober bis 1. November – „13. Dresdner Saxophonmesse“ u. a. mit Tobias Meinhart Quintett feat. Ingrid Jensen (Deutschland, USA, Kanada) und dem Jubiläumskonzert zum 20-jährigen Bestehen des Sax Quartetts Dresden
7. und 13. November Konzerte im Rahmen der Jazztage Dresden mit Marina & The Kats (Österreich) und dem Julia-Kadel-Trio (Deutschland)
28. November – Ed Motta (Brasilien)
3. Dezember – Panzerballett (Deutschland)
18. Dezember – Hidden Orchestra (Großbritannien)
1. Januar 2016 – Zentralquartett (Deutschland)