Die Chemnitzer Oper hat neben einem ausgewogenen Repertoire immer wieder Neues auf dem Programmzettel, oft auch als Wiederentdeckung nach Jahren der Vergessenheit. Nach Meyerbeers »Afrikanerin« (hier als »Vasco da Gama« neu gesichtet) oder einem neuen Werk wie Eötvös’ biblischer Historie um Lilith steht morgen erneut Alexander Zemlinskys »Der Zwerg« nach einem Märchen von Oscar Wilde an.
Georg C. Klaren hat in den Text auch biografische Bezüge zum Komponisten eingeschrieben. Zemlinsky nämlich erlebte selbst eine Liebesgeschichte, bei der er als glühender Liebhaber, als „hässlicher Gnom“ verlacht wurde. Deshalb entstand eine Musik des Wiener Komponisten und Schönberg-Freunds, die inspiriert war, tief berührend, geprägt von jener wienerisch professionellen, fast impressionistisch spätromantischen Schreibart, auf der auch Schönberg anfangs fußte und die dessen Schüler Alban Berg faszinierte. Faszinierend war auch die Chemnitzer Premiere im November, deren sensible Klanglichkeit und dramatisch zutreffende Gestaltung durch Frank Beermann und die Robert Schumann Philharmonie getragen wurde und von der instrumentatorischen Genialität des erst in den letzten Jahren wieder so recht entdeckten Komponisten.
Die treffende Inszenierung des Engländers Walter Sutcliffe mit Okarina Peter und Timo Dentler als Ausstatter bringt die Geschichte des Geburtstags der Infantin, einer spanischen Prinzessin, plastisch ins Bild. Groß dimensionierte Geschenkpakete kennzeichnen auf der Drehbühne immer neue Szenen einer verspielten Hofgesellschaft, festlich und lustig, locker lebendig – bis ein verwachsener Zwerg als Geschenk des Sultans auftaucht, lächerlich gefunden wird, den Spaß hochtreibt. Aber – dieser gibt sich weltmännisch höfisch, mit Ernst und Würde. Als er sich in die Prinzessin verliebt und sie darauf eingeht, wendet sich die Stimmung, das Lachen bleibt im Halse stecken. Die Tragik seiner Figur offenbart sich, als er per Zufall an einen Spiegel gerät und sich plötzlich seiner grotesken Hässlichkeit bewusst wird. Er bricht zusammen.
Diese Handlung, mit treffenden Bildern untermalt, lebt erst durch die bewegende musikalische Gestaltung und das Spiel der Sängerdarsteller. Solistisch wird sie getragen von Maraike Schröter als Infantin, mit schöner Stimme und verführerischem, aber hochmütigem Spiel, das bei Franziska Krötenheerdt als deren Lieblingszofe etwas an mitleidiger Berührtheit spüren lässt, während das Chorensemble gelegentlich aufschreckt, aber doch immer wieder von Spaß getrieben blieb. Star des Abends war natürlich der kauzig wirkende Zwerg, den Dan Karlström so überzeugend Gestalt verlieh, dass man auch als Zuschauer nachdenklich wird, Mitleid empfindet mit dem Missverstandenem, dem ehrlichen Menschen, der unabsichtlich zum Clown wird. Das alles fügt sich in anderthalb Stunden zu einem packend bewegenden Abend, der denn zur Premiere auch mit Begeisterung gefeiert wurde.
Friedbert Streller
Nächste Vorstellungen: 18. Dezember 2015; 7., 24. Januar; 27 .Februar 2016.