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Freejazz und Überwachung – passt das zusammen?

Nur mehr für wenige Tage ist im immer noch neuen alten Tonne-Keller die Wanderausstellung „Freejazz in der DDR – Weltniveau im Überwachungsstaat“ zu besichtigen. Es ist ihre nun letzte Station. Zuvor war die von der Deutschen Gesellschaft e.V. konzipierte Schau in Berlin, Cottbus und Hamburg sowie an einigen weiteren Orten präsentiert worden (s. Foto).

Für jüngere Besucher thematisiert die Ausstellung eine fremde Musikwelt. Fotos, Erinnerungstexte und Musikausschnitte sollen helfen, Aspekte einer ihnen unbekannte »Musik-Urzeit« nachvollziehbar zu machen. Die unaufgeräumt wirkende, flickwerkartige Klein-Klein-Ausstellungsgestaltung erschwert dies jedoch. (Foto: M.B.)
Für jüngere Besucher thematisiert die Ausstellung eine fremde Musikwelt. Fotos, Erinnerungstexte und Musikausschnitte helfen, Aspekte einer ihnen unbekannte »Musik-Urzeit« nachvollziehbar zu machen. (Foto: M.B.)

Wer jetzt noch durch die Schautafeln im Keller unterm Kurländer Palais spaziert und sich den alten Fotos, Plattencovern, Bild- und Schrifttafeln widmet, mag sich vielleicht fragen, was solch eine Ausstellung eigentlich soll. Schließlich gibt’s kein Jubiläum, das damit zu feiern wäre, und der Prozess des Freejazz ist glücklicherweise immer noch nach vorne hin ganz und gar offen. Weit offen, wie schon das Sonderkonzert zur Vernissage in die klingende Tat umgesetzt hat. Da haben die alten Haudegen Günter Baby Sommer am Schlagzeug und Friedhelm Schönfeld am Saxofon gemeinsam mit zwei ganz jungen Grazien – Julia Kadel am Klavier und Walburga Walde mit sehr wandelbarer Stimme – aufgespielt und somit bewiesen, wie zeitgenössisch der Freejazz immer noch ist.

Kritische Stimmen meinen inzwischen zwar, gerade das ungestüm Offene, das sich im damaligen „Überwachungsstaat“ zumindest für diese Musik eine absolute Freiheit eingefordert hatte, mag viele potentielle Jazzfreunde von diesem großartigen Genre dauerhaft abgeschreckt haben. Es dürfte ganz gewiss die Gräben zwischen übergriffigem Gute-Laune-Crossover und innovativem Experiment stark geweitet haben, so man dem Einen ansteckenden Hohlsinn und dem Anderen inhaltsvolle Tiefe attestieren mag. Tatsache ist, dass sich der geistige Drang nach Freiheit auch und ganz besonders in dieser Musik manifestiert hat. Beim aufmerksamen Gang durch die kleine Schau werden sicherlich jede Menge Erinnerungen geweckt: Peitz, Leipziger Jazztage, Klubkonzerte hier und da, Langspielplatten von Amiga und anderen Labels, die Jazz Jamboree Warschau … Blue Jeans, gerne auch Latzhosen, lange Haare und wilde Bärte, das gemeinsame Trampen zu den Konzerten sowie der kistenweise dafür gehortete Rotwein – da hatten sich ein Anderssein-Wollen sowie das Gefühl dieser besonderen Zugehörigkeit vermengt. Herzhafte Emotionen, die von den damals Beteiligten wohl niemals vergessen sein werden.

Die Authentizität dieser Ausstellung wird durch Original-Interviews mit den Jazzlegenden von einst und heute bezeugt. Begleitende Fotos lassen hier und da über Vergänglichkeiten sinnieren – Mensch, das war doch erst gestern, wie lang ist das denn schon her?! Ob der „Freejazz in der DDR“ nun wirklich „Weltniveau“ dargestellt – oder womöglich doch nur streng überwacht ein insulares Dasein geführt hat, das mag beurteilen, wer auf eigene Erfahrungen und Einsichten zurückblicken kann. Anregungen dazu bieten am Freitag nicht nur eine Podiumsdiskussion, zu der Kenner wie Mathias Bäumel, Ulli Blobel und Bert Noglik angesagt sind, sondern auch ein Sonderkonzert mit Uli Gumpert an der Hammondorgel, wobei der Tastenguru von Weggefährten wie Silke Eberhard (Saxofon), Jan Roder (Bass) und Kai Lübke (Drums) begleitet wird.

FREITAG, 8. JANUAR 2016
FINISSAGE IM JAZZCLUB TONNE

19 UHR PODIUMSGESPRÄCH
FREE JAZZ INS MUSEUM?

Mathias Bäumel, Kulturjournalist
Ulli Blobel, jazzwerkstatt
Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung
Bert Noglik, Musikjournalist und Kurator
Moderation: Stefanie Wahl, Kuratorin

20 UHR KONZERT
ULRICH GUMPERT B3 QUARTETT

Ulrich Gumpert, hammond organ
Silke Eberhard, saxophones
Jan Roder, bass
Kai Lübke, drums

EINTRITT KONZERT:
Vvk. 15 / 11 EUR zzgl. Gebühren, Ak. 18 / 14 EUR, HfM-Studenten 7 EUR