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Die Passion der Jeanne d’Arc im Albertinum

Foto: frau.L. / photocase.de
Foto: frau.L. / photocase.de

Man kennt das Schauspiel »Die Jungfrau von Orleans« von Friedrich Schiller, ein Stück Historie aus dem ‚100jährigen‘ französisch-englischen Krieg um 1431, in dem ein Bauernmädchen Frankreich rettet, aber dafür auf dem Scheiterhaufen endet. Heilig gesprochen wurde sie erst 1920. Der katholische Dichter Paul Claudel nahm diesen Stoff nach einigem Zögern auf und formte ihn zu einer nationalen Passionsgeschichte. Nicht allein national-politisch sollte das Thema hier erfasst, sondern das von Gott berufene Bauernmädchen in seiner religiös-humanitären Bestimmung geprägt sein. Der Diplomat schuf eine Dichtung von hohem literarischen Format und symbolträchtiger Prägnanz. Und Arthur Honegger, der in Le Havre geborene Schweizer Komponist, nahm sich mit den Erfahrungen des oratorisch gestalteten »König David«- Berichts von 1924 ein Jahrzehnt später des Librettos an. Er schuf eine dramatisch treffende Musik, die Chöre, Soli, melodramatisch gesprochene Texte und sinfonisch geprägte Szenen-Musiken beinhaltet, die auch dadurch an Wirkung gewannen, dass eine schauspielhaft-pantomimische Darstellung im großen Saal des Albertinums möglich wurde. Hinter und neben großem Orchester und Chor konnten in elf Szenen solche detaillierte Aufzüge einbezogen werden wie ein Gericht der Tiere unter Vorsitz des Porcus, des Schweins, wie ein Kartenspiel der Könige und Herzöge von England Frankreich und Burgund oder auch der Königszug nach Reims.

Alles war getragen von einer ausdrucksstarken, plastisch nachzeichnenden Musik, deren Gestaltungsbreite des erfahrenen Komponisten der 1920er Jahre von der sinfonischen Darstellung der amerikanischen Güterzuglokomotive Pacific 231 bis zu Musik für 40 Filme und elf Oratorien sowie fünf Sinfonien reicht. Großer Chor, umfangreiches Orchester ist auf dem Konzertpodium postiert. Nur Jeanne, die Jungfrau, und ihr geistlicher Bruder Dominik hatten vorn auf einer kleinen Bühne Platz, um sich standhaft gegen alle Anfeindungen von König und Volk zu wehren. In sarkastisch banalen und jazzig gezeichneten Hetzchören war dies nachgezeichnet. Sie führen am Ende die Angeklagte zum Scheiterhaufen, rötlich auf einem Bildschirm angedeutet. Begleitet wird sie von der himmlischen Maria und einem Knaben mit jenem Schwert, mit dem Johanna kämpfte. Und immer wieder, rot umleuchtet, der Teufel, der Zeremonienmeister, auf die Bühne (agil im Spiel: Tom Quaas).

Die szenische Einrichtung von Reto Nickler und die markante Maskengestaltung von Studenten der Hochschule für Bildende Künste gaben den Hintergrund für eine bewegende musikalische Wirkung mit dem Orchester, dem Philharmonischen Kinderchor (Gunter Berger) und dem Berliner Rundfunkchor (Michael Alber) unter der Leitung von Bertrand de Billy, der die unterschiedlichen Anforderungen des Oratoriums bestens im Griff hatte. Da waren große dramatische Chöre dieser Passionsmusik zu gestalten, melodramatische Szenen der Sprecher zu begleiten und ariose Passagen der Soli von der Jungfrau Maria (Katarian Tretjakowa) oder der heiligen Margarethe (Guanquan Yu) sowie Katharina (Janina Baechle) differenziert zu erfassen.

Im Mittelpunkt stand die Sprechrolle von Pater Dominik (Franz Grundhuber) und natürlich die von Johanna. Diese zentrale Partie wurde überzeugend getragen von Johanna Wokalek, einer Schauspielerin, die bekannt wurde in der Hauptrolle des Films »Die Päpstin«. Bei der Verfilmung der »Johanna auf dem Scheiterhaufen« durch Rosselini 1954 war Ingrid Bergmann die Jeanne. Die Aufführung der Philharmonie gelang in ihrer Intensität und ihrem Engagement tief beeindruckend, war ein Ereignis. Berührendes Schweigen am Ende zeugte von der Wirkung, ehe dann der langanhaltende Beifall losbrach. Und es bleibt der Nachhall der Worte des Schlusschors: „Niemand hat eine größere Liebe gekannt als die, sein Leben hinzugeben für die, die man liebt“.

Friedbert Streller