In den letzten Konzerten des März stellte die Dresdner Philharmonie Kompositionen aus Frankreich, der tschechischen Republik und Polen vor. Diese Art thematisch bestimmter Konzerte hat in dem Orchester eine lange Tradition. Früher hießen sie Zykluskonzerte. Der französische Abend, »in der Art von Mozart…« überschrieben, begann mit Werken von Maurice Ravel. Die »Pavane« von 1899, ursprünglich für Klavier, erhielt später eine Orchesterfassung, die der in Belgrad geborene, in Wien ausgebildete Dirigent Aleksandar Markovic mit dem philharmonischen Orchester in einer klangvoll schönen Interpretation erklingen ließ. Hier an frühbarocker Form stilvoll ansetzend, ließ sich Ravel im Klavierkonzert G-Dur von 1931 mehr von Mozart inspirieren, besonders vom Larghetto aus dem Klarinettenquintett. Mozartischer Geist bestimmte in Klarheit und Durchsichtigkeit die Gestaltung des faszinierend instrumentierten Orchestersatzes, und auch die Interpretation durch den französischen Pianisten Pascal Rogé. Ihm gelang es treffend, die klassische Form mit den Elementen der hier einkomponierten jazzigen Rhythmik eindrucksvoll zu verbinden.
Weniger mozartisch erschien dagegen Josef Suks 2.Sinfonie in c-Moll, die der Komponist dem Gedenken an seinen verstorbenen Schwiegervater und Lehrer Antonin Dvorak und dessen Tochter Otilka widmete. Er nannte das Werk im Untertitel »Asrael«, nach dem Todesengel der jüdischen Mythologie. In diesem tschechischen Werk versuchte der als Operndirigent bekannt gewordene Markovic mit dem dynamisch packend und klangvoll ausspielenden Orchester der Aussöhnung von Tod und Leben in symphonischem Aufbäumen und tröstlichen Ahnungen nachzugehen. Aber das tief Berührende und Erschütternde dieser tragischen Sinfonie blieb überwiegend nur angedeutet.
Dafür aber überzeugte das Konzert des 13. »Dresdner Abends« mit polnischer Musik des 20. Jahrhunderts, in dem der Konzertmeister der Philharmonie, Wolfgang Hentrich, erst mit Worten ans Publikum gewandt, dann musizierend vom Pult aus, das gut gewählte Programm vorstellte. Das von ihm geführte philharmonische Kammerorchester war bestens vorbereitet. Mit ansteckender Musizierfreude boten die Musiker ihre treffenden Interpretationen. Es kamen Kompositionen zur Aufführung, die ein breites Bild der Entwicklung polnischer Musik im 20. Jahrhundert vermittelte.
Romantische Tradition lebte in der Serenade von 1897 des hochbegabten, aber allzu früh, mit 31 Jahren in der Tatra tödlich verunglückten Mieczyslaw Karlowicz. Dies Werk verriet eine erstaunliche Beherrschung der Satzgestaltung, die gerade durch die treffende Interpretation überzeugend hörbar wurde. Modernere Elemente offenbarte ein 1930 entstandenes Triptychon für Streichorchester von Aleksander Tansman. Es ist nun schon mehr im neobarocken Stil gehalten, aber mehr rhythmisch geprägt. In den verhaltenden, lyrisch ausströmenden Passagen meint man – so plastisch war das interpretiert – melancholische Stimmungen zu hören, die an des Komponisten jüdische Kindheit in Lodz erinnern könnten. Dieser polnische Komponist ging später nach Amerika, und zählte von da ab eigentlich immer als amerikanischer Komponist.
Besonderen Spaß machte den Musikern das neoklassizistisch geprägte Konzert für Streichorchester 1948 von Grazyna Bacewicz. Die Konzert-Geigerin und Komponistin gestaltete – wie man hören konnte – mit prägnanten Motiven und geigerisch angelegten Passagen eine wirkungsvolle Musik, die auch märchenhaft impressionistische Szenerien einbezog und so ein abwechslungsreiches Musizieren ermöglichte, das vom Publikum begeistert aufgenommen wurde. Grazyna Bacewicz gehört zu jener Generation, die in den 1960er Jahren zu den Begründern des »Warschauer Herbst« zählten, der nicht nur in den osteuropäischen Ländern Vorbildwirkung hatte für die Entfaltung neuer Klang- und Gestaltungsmittel. Wojciech Kilar war hiervon angeregt. Flächige Strukturen und dynamische Expressionen verlangten den vollen Einsatz der Musiker. Sein im Konzert aufgeführtes Stück »Orawa« von 1986 verband die Technik der amerikanischen minimal music mit Elementen der Volksmusik aus der Region an der polnisch-slowakischen Grenze.
Aus dieser Verbindung erwuchs ein mitreißendes und packendes Musizieren, das die Mitglieder des Philharmonischen Kammerorchesters unter Wolfgang Hentrich so gelungen ausführten, dass das Publikum lang anhaltend begeisterten Beifall zollte. So wurde das Kennenlernen der polnischen Musik zu einem echten Konzerterlebnis.
Friedbert Streller