Einen Begeisterungsjubel löste die jüngste Premiere von Wagners »Meistersingern« in Chemnitz aus. Es ist die Abschiedspremiere des Chemnitzer Operdirektors. Zum zweiten Mal inszenierte Michael Heinicke, 1950 geboren in Dresden und seit 1990 Chemnitzer Opernchef, hier dieses Werk. Es wurde zum Theaterereignis mit einer großartigen Ausstattung von Peter Sykora, der das Nürnberger historische Milieu meidet, aber die Kostüme zeitentsprechend prachtvoll stilisierte. Eine Augenweide!
Eine große Halle, Versammlungsort der Handwerkersänger, bildet die Bühne. Anfangs ist sie eine Bildergalerie. Besucher durchziehen sie, darunter auch einer, der aussieht wie Richard Wagner. Vor einem der Bilder bleibt er stehen. Es ist Tizians „Mariae Himmelfahrt“. Wagner macht sich Notizen. Die Ouvertüre beginnt…
Der Komponist, der 1845 in Marienbad und Dresden auf die Meistersinger aufmerksam wurde, hat überliefert, dass dieses Bild 1861 den letzten Impuls gab, die geplante Opernidee zu verwirklichen. Nun läuft in der Inszenierung alles ab wie vorgegeben. Die Galerie wird zur Kirche, in der Eva Pogner dem Junker von Stolzing begegnet. Eine berührende Chorszene tut sich auf. Dann wird sie zur Meistersingerhalle, in der Hans Sachsens Lehrbub David dem verliebten Stolzing erklärt, was ein Meistersinger an Tabulatur zu kennen hat. Die Halle wird schließlich zum Platz, auf dem Sachs seine Werkstatt betreibt, an Lenz, Flieder und Liebe denkt und auf dem der Meister Beckmessers Serenade an Eva verhindert, aus dem am Ende die berühmte Fuge der Prügelszene hervorgeht. Schließlich sinnt der Schuh-Macher und –Poet (wie Goethe sagte) in der auf die Szene geschobenen Werkstatt über Wahn, alles Wahn nach, erkennt, dass er (wie weiland Marke bei Isolde) zu alt ist, um Eva zu freien, und hilft dem Junker zu einem Preislied für das Sängerfest, wo er die geliebte Eva gewinnt und Beckmesser für seine Interpretation des Sachstextes verlacht wird. Am Ende versöhnt man sich, auch mit dem hochnäsigen Beckmesser.
Alles wird in der Regie vom scheidenden Opernchef mit packender Klarheit und bewegender Darstellung meisterhaft umgesetzt. Dazu hatte er ein Aufgebot an Sängern, das insgesamt bis auf die unverständliche Zurückhaltung von Andre Riemer als Sachsens Lehrbub Daniel beeindruckte. Der Chor von Stefan Bilz allen voran (wer vergäße so schnell den Wach-Auf-Chor!). Das Quartett der tragenden Solisten: Franz Hawlata als treffender, würdevoller, aber auch lebendig agierender Sachs, Roman Trekel als vollendet gestaltender Beckmesser voller umwerfender Komödiantik (welch dolle Dialoge gab es da!), Maraike Schröter als bestens besetzte Eva und last not least Daniel Kirch, ein grandioser Tenor, der, obwohl kurz eingesprungen für den erkrankten Thomas Piffka, mit jugendlichem Schwung den um seine geliebte Eva singenden Walther von Stolzing begeisternd präsentierte. Wenn einmal vor Jahren der Wagnerenkel Wolfgang nach Besuch der Chemnitzer Wagner-Inszenierungen feststellte, dass hier ein anderes Bayreuth entstanden sei, so bewiesen die neuen Meistersinger Michael Heinickes, wie berechtigt dies Lob war. Alle Bayeuth-Opern, vom »Fliegenden Holländer« bis zu »Parsifal«, hatte der Chemnitzer Opernchef seit 1990 neben anderen Werken seiner 55 Inszenierungen auf die Bühne gestellt. Das ist eine gewaltige Leistung, auf die er am Ende seiner Tätigkeit stolz zurückblicken kann. Auch ihm galt der Beifallsjubel nach der Meistersinger-Premiere, an der besonders auch die Leistung der musikalischen Leitung von Frank Beermann beteiligt war. Sein Dirigat trug die Aufführung bestens. Die Wagnersche Musik erhielt durch ihn in der thematischen Arbeit, die er so klar und durchsichtig zu offerieren vermochte, einen besonderen eindrucksvollen Charakter. Besonders überzeugte auch seine Führung der Sänger in solchen turbulenten Szenen wie der Prügel-Fuge am Ende des 2. Aktes.
Friedbert Streller
Nächste Vorstellungen: 27. März; 10., 17. April; 1. Mai 2016