Endlich Frühling! Seidige Luft durchströmt den Großen Garten. Günter Baby Sommer trommelt ein herandräuendes Gewitter fort und erinnert mit orgiastischem Spieltrieb an italienischen Sternenhimmel. „Sotto le stelle …“ – Sofern man nicht tief hinter all diese Töne blickt, ist das sogar jugendfrei.
Die Mehrheit im Publikum dürfte allerdings ohnehin schon zu den zeitigen Wegbegleitern des Schlagzeugers vom Jahrgang 1943 gehören. Sie lauschten ihrem Idol und wussten, was sie von ihm zu erwarten hatten. Dennoch dürfte er selbst bei ihnen, den Kennern, recht viele mit seinem Konzert überrascht haben. Denn was Baby Sommer in seiner Klangwerkstatt bei »Offenes Palais Extra« präsentiert hat, war ein Querschnitt seiner wunderbaren CD »Dedications«, mit der er seinen frühen Idolen und Vorbildern huldigt.
Ebenso wie die sehr privatime Italien-Connection sind alle Stücke dieses Abend Liebeserklärungen. Freilich nicht in jedem Fall so offenherzig intim! Aber all diese Reminiszenzen gehen auf Begegnungen zurück, die – durchaus unterschiedlich – fruchtbare Folgen gehabt haben. Zunächst die alten Amerikaner, allen voran Baby Dodds, seit langem der Namensgeber für Sommers künstlerisches Erkennungszeichen. »Von Baby zu Baby« ist eine wunderbare Zwiesprache zwischen zwei Trommel-Legenden. Der Nachgeborene verriet aber auch, wo er sich von Vorbildern wie Art Blakey oder Philly Joe Jones verabschiedet, wie er die Einflüsse der Jazz-Ahnen nur mehr als Inspiration aufgesogen, dann aber sehr kreativ verarbeitet hat. Mit Augenzwinkern, Witz und einer charmanten Portion Eitelkeit parlierte Sommer in seinem Frühjahrskonzert, bedachte das begeistere Publikum mit Klangkaskaden und effektvollem Getrommel, wollte den heftigen Beifall dann aber unbedingt geteilt wissen.
Ein Stück Jazzgeschichte
„Die Hälfte vom Applaus gebührt heute Matthias Creutziger“, nahm sich der Jazzer am ersten April-Dienstag nobel zurück. In der Tat: das Erdgeschoss des Palais, normalerweise „nur“ mit eindrucksvollen Barockskulpturen gefüllt, ist vom Fotografen Matthias Creutziger um eine zusätzliche Dimension bereichert worden. Großformatige Fotografien von namhaften Jazzern sowie von berühmten Klassik-Dirigenten durchziehen die Räume. Da trifft man Sir Colin Davis ebenso wie Giuseppe Sinopoli und Christian Thielemann, da sind Betty Carter, Michel Petrucciani und Pharoah Sanders zu sehen; allesamt Lichtgestalten der internationalen Musikszene.
Als besondere Zugabe sind diesen sehr charaktervollen Abbildern kurze Texte beigegeben, in denen Creutziger verrät, wo und unter welchen Bedingungen er seinen Idolen begegnet ist, dazu knappe biografische Angaben der Künstler. Auch das ist ein Stück Jazzgeschichte.
Diese jüngste Fotografie-Ausstellung von Matthias Creutziger ist ein besonderer Bestandteil der diesjährigen »Zeitsprünge«, in denen mehrere Studienjahre der HfBK ihre Kostümarbeiten vorstellen. Und so treten dann auf nahezu mystische Art und Weise historisch gestaltete Figurinen, teils nach bildkünstlerischem Vorbild entwickelt, in einen Dialog mit steinernem Barock und Fotografie. Assoziationen quer durch die Jahrhunderte, einen Abend lang verbunden durch die Magie der Musik und über jede Stilistik hinweg ganz von „Liebe, Lust und Leidenschaft“ geprägt.
Frühjahrsausstellung bis 1. Mai
geöffnet Mi – Sa 14-18 Uhr, So 11-18 Uhr
Die nächsten Konzerte im „Offenen Palais“ gibt es am 19. April um 14.30 Uhr und 19.30 Uhr mit der Gruppe Masaa, die traditionelle arabische Musik und zeitgenössischen hiesigen Jazz verquickt.