Die Premiere der Landesbühnen Sachsen im Radebeuler Stammhaus mit Bizets „Carmen“ war geprägt von einer schlichten, sachgerechten Inszenierung von Manuel Schöbel. Der Regisseur bezog sich auf die von Fritz Oeser und Walter Felsenstein 1964 vorgelegte Urfassung einer echten Opera comique, also einer Oper im Sinne des Singspiels mit gesprochenem Text und dazwischen gesungenen Arien.
So wurde die Vorlage vom Merimees Novelle von 1845 als Kriminalfall um den baskischen Bauernburschen Jose, der hier als Sergeant der Wache hervortritt, und der Zigeunerin Carmen klar und deutlich erzählt. Zusätzliche Operneffekte, die vor allem in großen Theatern inszeniert werden, treten zurück (es ist ja auch auf der kleinen Bühne in Radebeul kaum anders machbar), und die von Bizets Freund Ernste Guiraud durchkomponierte Opernfassung wird vermieden. Dennoch entstand eine beeindruckende Aufführung. Stefan Weil legte eine einfache und treffende Bühnengestaltung vor. Wer vergäße so schnell den Felsen-Abstieg der Schmuggler?! Manuel Schöbel als Regisseur gab den Sängern Freiraum für eine persönliche Gestaltung ihrer Partien, der denn auch genutzt wurde, nicht immer zu szenischem Spiel, manchmal auch zu Steh-Arien.
Vor allem der Dom Jose von Kay Frenzel mit einer mehr bedeckten Stimme zeigte wenig Interesse an szenischen Kontakten mit den Partnern und blieb in Mimik und Gestik verhalten. Aber natürlich war Silke Richter als Carmen eine Sängerin und Darstellerin von Format, eine Person, die alles überstrahlte und bestens sekundiert wurde von Michael König als effektiver Hauptmann der Stadtwache und Paul Gukhoe Song als Escamillo, der Carmen umwerbende Torero mit klangvoller Stimme. Aber auch andere Solisten zeigten überzeugende Leistungen, etwa im Schmuggler-Quintett oder in der „Todesverkündigung“ des Kartenlegerterzetts der beiden Zigeunerinnen Frasquita und Mercedes mit Carmen, die mit Iris Stefanie Maier und Antje Kahn bestens besetzt waren. Die Micaela von Anna Erxleben blieb eher im Hintergrund. Der Chor (einschließlich Kinderchor) setzte markante Akzente.
Die gefeierte Premiere, günstig für Gastspielbühnen angelegt (Radebeul, Meißen, die Luisenburgfestspielen in Wunsiedel sind schon angesagt), fand Anklang unter der musikalischen Leitung von Hans-Peter Preu und der Elbland Philharmonie Sachsen, die von Anfang an klar machte: hier lebt echtes Theater von der etwas herzhaft geratenen Ouvertüre bis zum Tode der Carmen vor der Arena, aus der noch die Klänge von Escamilos Lied triumphal von ferne zu hören waren.
Friedbert Streller