Wenn Superstar Anna Netrebko eine neue CD herausbringt, steht die halbe Musikwelt Kopf. Die andere Hälfte nimmt La Netrebko nüchterner wahr, sieht sie als Sopranistin mit Höhen und Tiefen. So agierte sie schließlich auch im mit ihrem Namen gehypten Dresdner »Lohengrin«. Musikalisch gesehen geht es auch auf ihrer nagelneuen CD mit dem Titel »Verismo« um Höhen und Tiefen. Ein Album mit dem Besten, was dieser grunditalienische Opernstil zu bieten hatte. Darunter auch einige klingende Meilensteine, die einst Maria Callas zu ihren Vorzeigearien erkoren hatte. Ob „La mamma morta“ aus Umberto Giordanos »Andrea Chénier«, ob „Vissi d’arte, vissi d’amore“ aus »Tosca« – Anna Netrebko scheut den Vergleich nicht, was die Glanzpartien der Callas betrifft. Sie wagt sich an die Höhen und Abgründe der so sinnlichen Opern von Alfredo Catalani, Francesco Cilea, Ruggero Leoncavallo und eben immer wieder Puccini. Allein die Titelpartien von »Madama Butterfly«, »Manon Lescaut«, »Tosca« und »Turandot« sind ein Vergnügen – wenn auch ein eingeschränktes, da solch eine Querschnitts-CD halt immer nur Häppchenkost anbieten kann. Wer damit jedoch kein Problem hat, wird »Verismo« liebgewinnen. Denn Anna Netrebko erfüllt all diese Partien mit Leben, mit Seele, mit Inbrunst. Ja, hier (und eben nicht im Wagner-Fach) ist sie inzwischen wirklich zu Hause. Ihre Stimme ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen, ist insgesamt voluminöser, in der Tiefe samtig gereifter, ohne in der Höhe an Brillanz einzubüßen. Für diese glanzvolle Produktion der Deutschen Grammophon ist die russische Sängerin vom römischen Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia unter deren Chefdirigenten Antonio Pappano begleitet worden. In mehreren Nummern stehen ihr der tenorale Ehegatte Yusif Eyvazov sowie der Chor der Accademia zur Seite – und der Intensität der Sängerin in nichts nach.