Jetzt stellen wir uns mal vor, Dresden wird 2025 Kulturhauptstadt Europas – und mauert sich ein. Das Stadtbild ist von Steinwällen („Niemand hat die Absicht, eine Mauer …“), laut tösenden Hubschraubern und marodierenden Sicherheitsleuten geprägt, die ihrerseits den inzwischen ergrauten „sächsischen Hasspredigern“ (Martin Dulig) „einen erfolgreichen Tag“ wünschen…
Doch wer will schon im utopischen Kaffeesatz der Zukunft stochern, wenn ein beispielloses Volksfest, eine (frei)staatlich verordnete Einheitsfeier uns die Realität ganz nah vor Augen geführt hat. Die Landeshauptstadt rüstete sich unübersehbar für diese Feierei. Straßensperrungen, Beobachtungstürme, Securityleute und, dies vor allem, fette Legosteine aus grauem Beton beherrschen das Stadtbild. „Die Menschen sollen und werden ein tolles Fest der Deutschen (sic!) Einheit feiern.“ So postulierte es der Innenminister der Sachsen, nachdem am Montag Abend zwei Sprengsätze im Elbtal detoniert waren. Soll heißen, nicht scheu machen lassen, wir wollen uns schließlich beweihräuchern, „blühende Landschaften“ feiern und der parteipolitischen Selbstherrlichkeit freiesten Lauf gewähren. Dass die sächsische Bräune auch ein Ausdruck von 25 CDU-regierten Jahren sein könnte, kam Herrn Ulbig vermutlich nicht in den Sinn. Sein Partei- und Regierungschef Stanislaw Tillich forderte gar ein steuerteuer finanziertes „Fest ohne Störfeuer“. Feuerwerke gehörten ortsüblich natürlich trotzdem ins Brot-und-Spiele-Programm.
Vernunftbegabte Menschen fragten sich da schon, wer da eigentlich noch hingehen sollte. Und trotzdem kamen sie, aus Vorstädten von nah und fern, Schützenbrüder, Gebetsschwestern, Mütter, Väter, Cousins und Cousinen dieser unserer Einheit. Schließlich standen „große Namen“ im Duselprogramm. Karat und Silly zelebrierten Ostalgie, David Garrett geigte sich die Seele aus dem Leib, Heinz Rudolf Kunze wurde bestens verstanden. Der Kreuzchor summselte zu „Als ich fortging, war die Straße steil“. Die Staatskapelle gestaltete zwischen zwei Symphoniekonzerten den geladenem Publikum vorbehaltenen Festakt, die Philharmonie setzte auf Filmmusik und ließ in schöner Tradition einen Stummfilm bespielen. Aber all dies waren nicht die Dresdner Töne, die wir von diesem 26. Einheitsrepublikgeburtstag in Erinnerung behalten werden. Nein, im Kopf und im Ohr bleibt dieser gewisse Dresdner Klang, der entsteht, wenn Meister Bachmann seine Mannen unter den halbgeschlossenen Augen der Staatsgewalt pöbeln lässt. Da ist er wieder, Dresdens ganz spezieller Klang. Um ihn zu erzeugen, braucht es nur 200 Pfeifen.