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Von Gubaidulina bis Piazzolla

Die in dieser Saison erneut zur Capell-Compositrice ernannte russische Komponistin Sofia Gubaidulina stand in den letzten Konzerten oft im Mittelpunkt. Beim diesjährigen Sonderkonzert zum Gründungstag der Staats- oder früheren Hof-Kapelle war sie so zwischen Johann Sebastian Bachs großer C-Dur-Suite und Johann Gottlieb Naumanns Missa Nr. 18 in d-Moll (Chor: Peter Kopps Vocal Concert) eingefügt. Die Leitung des Abends hatte der italienische Dirigent Alessandro De Marchi, ein erwiesener Spezialist für historische Aufführungspraxis. So entstand eine originelle Wiedergabe der Bach-Suite und der Naumann-Messe. Dazwischen also war Gubaidulinas »Meditation über den Bach-Choral ‚Vor Deinen Thron tret‘ ich hiermit‘ (BWV 668)« von 1993 zu hören. Mit modernen Klangflächen aus den Tonbuchstaben B-A-C-H und Vers-Teilen des Chorals in verschiedenen Verwandlungen entstanden mit einem Streichquintett und Cembalo flimmernde und konkrete Tonverbindungen. Am Ende nach einem gewaltigen, elektronisch verstärkten Cembalosolo (fast orgelhaft) erklang zu Ehren des Leipziger Thomaskantors seine Lebens-Symbole B-A-C-H. Das war tief beeindruckend und wurde gefeiert.

Eine ganz andere Wirkung hinterließ im 2.Kammerabend ihre Komposition »Risonanza« (also Resonanz im Sinne von Echo, Widerhall). Dazu wurden Gruppierungen von 3 Trompeten, 4 Posaunen, Streichquinettet als konzertierendes Ensemble samt Orgel genutzt. Was am Anfang des 25-minütigen Stückes unter der Leitung von Helmut Branny noch im ‚Concerto‘ des lebendigen Musizierens wirkte, das verlor sich bei aller klanglichen Raffinesse vor allem auch der Orgel in der Dauer. Was da alles vor sich ging, konnte man sehen, auch hören, ging aber oft im massiven Klang der Blechbläser unter, besonders auch die sicher vorhandene, aber kaum durchhörbare Gesamtform.

Tangente Quattro (Foto: PR)

Mehr Beifall erhielten dann die den Abend beschließenden »Mutations from Bach« des Amerikaners Samuel Barber mit den Blechbläsern und Schlagzeug. Diffiziler zeigte sich der Anfang mit »Tangente Quattro«, einem mit Musikern vorwiegend aus Kapelle und Philharmonie besetztes Ensemble und als Streichquartett mit wunderschönen Klängen ungarische bis amerikanische Musik vorstellte. Hervorragende Arrangements wurden bestens vorgetragen, kurze Moderationen eingefügt und das Programm ließ Musik der Zigeuner (auch in der gekonnten Musizierlaune) aufleben und führte bis zu Gershwin und wohl am stärksten beeindruckend von Astor Piazzolla. Das lockere Spiel, ein bisschen mystische Abdunkelung beim Auftritt zeigte jene Theatralik, die Effekt macht und an die französische Truppe »Le Quatour« erinnert. Der folkloristische Sweet-Ton des Abends und der Piazzolla-Sound waren wohl der stärkste Kontrast zu den Klangexperimenten von Sofia Gubaidulina und zeigte die Breite der Musik von heute.

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