Zunächst zu den Fakten – denn die sprechen für sich. Rund 60 Konzerte, 40 Orgelabende, 20 Geistliche Sonn- und Festtagsmusiken und 12 Angebote für Jugendliche und Familien stehen 2017 auf dem Konzertprogramm der Frauenkirche. Dazu kommen noch verschiedene Mitsingveranstaltungen: am Erntedanksonntag lädt Kantor Matthias Grünert versierte Laien ein, die Bachkantate »Es wartet alles auf dich« aufzuführen und das Publikum, in den Schlusschoral einzustimmen. Die etablierten Reihen wie »Aufbruch und Ewigkeit«, »Bläserklang virtuos« und »Große Stimmen« – zu Gast sind etwa Valer Sabadus, Andreas Scholl und Emma Kirkby – werden fortgeführt. Das große Lutherjubiläum bildet einen Schwerpunkt: unter dem Titel »500 Jahre Reformation« spannen die Musikprogramme den Bogen von Martin Luther bis ins Heute. Die Spanne reicht von zwei Konzerten des Calmus Ensembles mit Liedern Luthers in Werken von Praetorius und Schütz über die Aufführung der h-Moll Messe bis zu einem von Ludwig Güttler zusammengestellten Programm mit Dresdner Repertoire zum Reformationsfest. Bei Jörg Herchet ist eine Neukomposition beauftragt: »Nun freut euch, lieben Christen g’mein« wird in Kooperation mit der Gesellschaft zur Förderung der Frauenkirche Dresden e.V. uraufgeführt.
Daneben erfahren drei Komponisten 2017 eine besondere Würdigung: Der 175. Todestag von Luigi Cherubini ist Anlass, das Konzert zum Gedenken an die Zerstörung Dresdens mit dessen ergreifendem c-Moll Requiem zu gestalten. Den 450. Geburtstag von Claudio Monteverdi begeht der Kammerchor der Frauenkirche und das Ensemble Instrumenta musica mit der Aufführung der »Marienvesper«. Jos van Immerseel und sein Ensemble Anima Eterna gestalten ihren Monteverdi-Abend im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele mit der besonderen Vater-Sohn-Solistenkonstellation von Christoph und Julian Prégardien. Das Schaffen Georg Philipp Telemanns, dessen Todestag sich 2017 zum 250. Mal jährt, rückt mit dem Konzert des Dresdner Trompeten-Consort und der Dresdner Kapellsolisten unter Helmut Branny im Mai in den Fokus. Im September greifen Magali Mosnier und das Philharmonische Kammerorchester Dresden diesen Faden auf. Eine schöne Idee, die noch ausbaufähig ist: bei zwei Konzerteinführungen der besonderen Art stellen ausgewiesene Kunsthistoriker und Musikexperten im Albertinum Gemälde vor, welche die musikalischen Themen aufgreifen und weiterführen. Das einführende Gespräch im Museum bietet einen exklusiven Auftakt für den anschließenden Konzertabend in der Frauenkirche und eine inspirierende Annäherung an Malerei und Musik.
Auch populäre Publikumsschmäckerchen stehen wieder auf dem Programm. Martin Stadtfeld und das Mannheimer Mozartorchester machen sich ans Werk der Bach-Familie; Daniel Hope und das Barockorchester l’arte del mondo heben unbekannte Schätze Antonio Vivaldis. Außergewöhnliche Klavier-Abende sind mit Fazil Say und seinem Klavierkonzert Nr. 2 »Musik zwischen den Kulturen« und Kit Armstrong zu erwarten, der sich Kompositionen von Bach, Brahms und Busconi annimmt.
Nach den Zahlen befragt, schlug Christine Kageneck, die kaufmännische Leiterin der die Frauenkirche-Stiftung, jedoch nachdenklichere Töne an. Der Kulturtourismus nach Dresden habe deutlich abgenommen, sagte Kageneck (Hilke Wagner sekundierte sogleich, auch bei den Museen der Stadt sei der Besuchereinbruch „frappierend“); überall gebe es Erlösrückgänge, denn die kulturaffinen Besucher strömten momentan spärlicher, folglich die „Kratzspuren“ in der Bilanz der letzten Monate. „Wir können nur hoffen, dass Dresdens Imageverlust in Zukunft wieder aufgefangen und gegengesteuert werden kann; hier sind die Stadt und das Land Sachsen gefragt“, so Kageneck. Immerhin: die Honorarkosten der Künstler von knapp 900.000 Euro konnten durch die Ticketeinnahmen bei einer Auslastung von 60 bis 65 Prozent (!) immer noch voll gedeckt werden.