Was Romantik sei, sind sich die Wissenschaftler per definitionem uneins. Das Publikum aber hat eine klare Vorstellung davon. Und Brahms, Tschaikowski und Liszt sind dafür Prototypen. Brahms‘ Doppelkonzert von 1887, das letzte sinfonisch angelegte Werk des Komponisten, zeigt bereits in seinen rhythmischen Unregelmäßigkeiten und im zerrissenen Ablauf des Satzes Anzeichen neuer Gestaltungsweisen, die den romantischen Grundzug in der Krise zeigen. Dennoch: der gewohnte romantische Klang dominiert auch im Doppelkonzert für Violine, Violoncello und Orchester, noch dazu ein faszinierendes Duo für die Solopartien gewonnen wurde. Die Georgierin Lisa Batiashvili und der Franzose Gautier Capucon vermochten mit tiefster Einfühlung, innigem Aufeinander-Eingehen, mit gekonnter Virtuosität und bewundernswerter Bewältigung diesen späten Nachfahren der klassischen »Sinfonie konzertante« zum Erlebnis werden lassen. Aber sie waren nicht nur konzertierende Solisten, sondern ordneten sich auch natürlich ein, als wären sie selbst Instrumente des Orchesters. Das konnte nur gelingen, weil die Kapelle mit ihrem Chef Christian Thielemann diesen sinfonischen Geist aufzufangen und auszugestalten vermochte. Und das war von tief beeindruckender Wirkung und wurde gefeiert.
Voll im Trend romantischer Musik stand der russische Ton in Tschaikowskis Ouvertüre »Romeo und Julia«. Der nationale Zug, der bei Brahms im 2. Satz zu erahnen war, prägte hier den Choralsatz des Anfangs, den tragischen Ton dieser Fantasie- Ouvertüre von 1886 andeutend. Kämpferisches Aufbegehren im Geiste der späteren 6. Sinfonie und sich weit ausspinnende Kantilenen der Liebe des klassischen Paares prägten die intensive Gestaltung dieses romantischen Werkes nach Shakespeares tragischer Liebesgeschichte.
Am Ende des Abends stand jenes Werk, das als Sinnbild des Anfangs romantischer Musik gilt, die Sinfonische Dichtung »Les Preludes«, also eine Komposition programmatischen Charakters. Wenn auch das der Partitur beigegebene Programm von Larmartine erst später hinzu kam, die Programmatik des Werkes war vorher gegeben und entfaltete sich formal aus einem anfangs gegebenen Dreiton-Motiv, das in Dur kämpferische Akzente fordert und in Moll in träumerische Versonnenheit auslöst, die in pastoralen Stimmungen beschaulich sich verliert. So entstand ein Werk von formaler Geschlossenheit und fantasievoller romantischer Ausgestaltung. Es wurde mit seinen effektvollen Akzenten zum rechten Finale dieses romantischen Abends. Und Christian Thielemann spielte die Effekte auch voll aus und wurde begeistert gefeiert. Übrigens: hier hätte auch ein Werk wie die 3. Sinfonie von Felix Draeseke einen Platz finden können. Sie hätte eine unbekanntere Dresdner Romantiknote beigesteuert.