Vom französischen Komponisten Camille Saint-Saëns kennt man den lustigen »Karneval der Tiere«, vielleicht die Klavierkonzerte und die berühmte Dalila-Arie („Mein Herz öffnet sich dir“), von seinen acht Opern eben »Samson und Dalila«, aber meist eben nur namentlich. Die 1877 im Dezember in Weimar zur Zeit Franz Liszts uraufgeführte Oper kam in Frankreich erst 13 Jahre später zu Anerkennung. In Deutschland war sie da schon weithin bekannt. In Dresden erklang sie letztmalig 1914. Nachdem man sie nun in Radebeul gehört hat, wird deutlich, dass hier viel deutsche Tradition von Bach (Eingangschor) und Mendelssohn (Morgenlied im 3. Akt) wirksam ist, die Liszt bewogen hat, das Werk herauszubringen. In Frankreich war man zuerst gegen den biblischen Stoff auf der Opernbühne.
Die Geschichte von Samson und Dalila geht zurück auf eine Erzählung im Alten Testament, Buch der Richter, 16. Kapitel und zeigt den Stammeskrieg der Israeliten gegen die herrschenden Philister. Aber Samson, der jüdische Held, mit Kraft von Gott ausgestattet, sammelt sein Volk und überwindet die Knechtschaft. Die Philister schicken listig die schöne Dalila zu erkunden, woher die unüberwindliche Kraft stammt. Und die von Samson leidenschaftlich geliebte Dalila erreicht, dass er sein Geheimnis verrät. Sie schneidet seine Locken ab, kraftlos wird Samson gebunden und geblendet. Die Philister feiern darob ein turbulentes Fest. Samson wird an die Säulen des Tempels gebunden und – nach einem Bittgebet an Gott – erhält er soviel Kraft zurück, dass er die Säulen zerbricht. Der Tempel stürzt ein und begräbt die Philister.
Das Thema der ewigen Verfolgung der Juden ward auch für die Inszenierung der halbszenischen Aufführung in den Landesbühnen durch Jan Michael Horstmann als Inszenator und Dirigent zum Grundthema. Eingeblendete Marschtritte der Faschisten und ein verfolgter Jude, der mit seinem Koffer durchs Publikum irrt, werden vor der eigentlichen Oper vorangestellt. Es ist Samson, der auf einen sechseckigen Stern tritt, der Handlungsebene, auf der sich das oratorische Spiel vollzieht. Plastisch werden dort die Helden Dalila, Samson und der Oberpriester des Philistergottes Dagon vorgestellt. Wundervolle Kostüme, die der Ausstatter Stefan Wiel fantasievoll mit Naturmotiven bemalen ließ, gaben den Bildern Attraktivität. Die Musik, die Jan Michael Horstmann dem Geschehen ausdrucksstark unterlegt, war von meisterlicher Gestaltung, von den an Bach-Passionen erinnernden Klagechören über die sinfonisch gearbeitete Musik, die kaum Raum ließ für Rezitative, bis zu den melodisch prägnanten Arienszenen. Sie waren hier glänzend stimmlich und gestisch besetzt. Silke Richter als Dalila stand im Mittelpunkt (ursprünglich sollte die Oper überhaupt nur »Dalila« heißen) und gestaltete mit stimmlicher Verve und ausdrucksintensiver Darstellung im Rahmen der mehr oratorischen denn opernhaften Vorstellung bannende Szenen. Paul S. Song als Oberpriester der Philister konnte seine baritonale Ausstrahlung voll ausspielen. Christian S. Malchow gab Samson seine tenorale Stimmkraft und überzeugte sowohl als jüdische Heldenfigur als auch als Symbol der verfolgten Juden.
So entstand eine tief bewegende und geschlossen wirkende Aufführung, die bei aller oratorischen Zurückhaltung eine packende Handlung nachvollziehbar machte. Der Chor, einstudiert von Sebastian Matthias Fischer, war rechts und links auf der Szene postiert, gab den Volksmassen als klagende, aber auch sich standhaft erhebende Juden sowie mancher stimmungsvollen Naturlyrik besten Ausdruck. Mit der Aufführung zeigen die Landesbühnen erneut jenes experimenierfreudige Streben, Neues zu entdecken oder Vergangenes aufzuspüren. Die Premiere fand begeisterte Zustimmung.