Die Leipziger Musikalische Komödie bietet hin und wieder Entdeckungen. In ferner Erinnerung taucht da etwa das Musical um das Schweizer Kindchen »Heidi« auf. Jetzt gab es eine archäologische Geschichte um Nofretete, deren Büste 1912 in den Pharaonengräbern gefunden wurde. Zwar bezieht sich die Leipziger Inszenierung auf das historische Umfeld der Pharaonengattin, nicht auf ihr unbekanntes Leben. Die Ausstattung, beraten von dem Ägyptischen Museum der Messestadt, nahm die historischen Anregungen auf, die vor allem im Mittelakt, dem Zwischenspiel der zweiaktigen Operette mit großem Showwert repräsentativ szenisch gefasst wurde. Die fiktive Story übernimmt nur den Namen Nofretete einer ansonsten frei erfundenen Geschichte, die im ägyptischen Museum und in der Grabkammer der Pharaonen spielt. Das Werk von 1935, das seit 1936 nicht mehr auf der Bühne realisiert wurde und 80 Jahre vergessen blieb, war nun in Leipzig wieder erfolgreich zu sehen.
Die Inszenierung der Direktorin Franziska Severin nutzte mit Frank Schmutzler (Bühne) und Sven Bindseil (Kostüme) alle reichen Möglichkeiten einer Ausstattungsoperette in altägyptischem Stil. Die Musik von Nico Dostal, der zwar im Wiener Milieu aufwuchs, aber erst in Berlin mit der Operette »Clivia« von 1939 bekannt wurde, ist mehr von der Komischen Oper inspiriert, setzt die Tradition von Mozarts »Entführung aus dem Serail« mit einem seriösen Paar der Liebe und einem turbulent spielerischen des buffonesken fort. Perfekt instrumentiert und durchgestaltet und klanglich zwischen Puccini (»Turandot« und »Butterfly«) und Robert Stolz angesiedelt, stellt diese Operette Regisseuren eine schwierige Aufgabe. Oper oder Operette ist die Frage! Die Leipziger Inszenierung bleibt unentschlossen, bietet Raum für für die großen Arien und Duette und versucht auch auf die buffonesken Züge einer Travestie einzugehen, wenn die Musik es zulässt. Gelungene Balletteinlagen (Choreographie: Mirko Mahr) lockern auf, bedienen den Showwert dieser Handlung um den englischen Archäologen Lord Callagan, der nach pharaonischen Schätzen sucht und eine Tochter Claudia hat, die er auf Rat der schwerreichen Tante Tottenham mit deren Sohn „Totty“ verheiraten will. Natürlich hat Claudia ganz andere Träume. Vaters Assistent Dr. Eklind ist ihr viel sympathischer. Das sind die Verwicklungen des etwas lang geratenen 1. Aktes. Aber als man in der Grabkammer die Büste der legendenumwobenen Nofretete entdeckt, schlägt sie dem Vater vor, man solle ihr Schicksal anhand des der Prinzessin entscheiden. In einem Zwischenakt erzählt man nun in reicher und repräsentativer Form die Geschichte der Nofretete, die einen Prinzen heiraten soll, den sie nicht will. Schließlich entscheidet sie sich für einen einfachen Menschen, den Sänger, dessen Lied sich ihr tief einprägte. Wie hier gespielt, muss sich der Vater im folgenden Finalakt den Fakten beugen. Claudia heiratet ihren Sänger Amar, der hier nun wieder Dr. Eklind heißt. Der von der Tante vorgesehene „Totty“ kommt schließlich auch noch zu einer Partnerin, Pollie Miller, Fremdenführerin einer Touristengruppe, die das Museum stürmt.
Im Hintergrund ist immer die Musik Nico Dostals, die opernhaft abrundet, was zur Komödie drängt. Ob das Werk nach 80 Jahren eine bessere Verbreitung findet, wird von neuen Inszenierungen abhängen, die den musikalischen Widerspruch von Musik und Szene geschickt lösen. Das Leipziger Publikum war auch nach der dritten Aufführung noch begeistert. Hier lebte die Musik mit dem Orchester der MuKo unter der Leitung von Stefan Kingele begeisternd auf. Dass hierbei ein klangvoller Bass von Michael Raschke als Wahrsager noch mystische Akzente setzte, in der sonst mit vorzüglichen Sängern wie Lilli Wünscher als Nofretete besetzten Aufführung. Überzeugend komische Darsteller gab es mit Anne-Kathrin Fischer als Tante und Patrick Rohbeck als Lord Callagan.