Die diesjährigen Osterfestspiele Salzburg haben noch gar nicht begonnen, schon sind sie ein Streitobjekt. Aber waren sie das nicht von Anfang an? Der legendäre Dirigent Herbert von Karajan hat sie 1967 ins Leben gerufen, um ein Pendant zu den damals schon traditionsreichen Sommer-Festspielen zu schaffen. Sehr rasch hatten die Osterfestspiele den Ruf eines elitären Festivals weg.
Elitär waren – und sind – sie vor allem in künstlerischer Hinsicht. Einst gingen die Opernproduktionen nach zwei Salzburger Aufführungen direkt an die New Yorker Met – heutzutage werden sie in Koproduktion mit der Sächsischen Staatsoper produziert und wechseln mitunter auch in den Dresdner Spielplan.
In diesem Jahr wird das nicht der Fall sein, denn Salzburg bringt Richard Wagners »Walküre«, und die gibts bekanntlich schon im Semperopern-Repertoire. Vor allem aber ist die Produktion eine »Re-Kreation« (im „Re-Formations“-Jahr blickt eben alle Welt irgendwie rückwärts). Aber vielleicht steckt hinter dieser Kreation ja ein revolutionärer Gedanke?
Christian Thielemann, Chefdirigent der Staatskapelle und seit 2013 Künstlerischer Leiter der Osterfestspiele, bremst solche Erwartungen vorsichtig ein: „Diese Ästhetik war ja schon zu ihrer Zeit ein bisschen umstritten. Man sagte damals schon, sollte man jetzt nicht langsam zu neuen Ufern aufbrechen? Aber zum Schluss entscheidet das Publikum, und das hat diese Sicht sehr gerne gemocht.“ Vermutlich wird das auch jetzt, genau ein halbes Jahrhundert danach, nicht wesentlich anders sein. Im nach originalem Vorbild wiederhergestellten Bühnenbild des legendären Ausstatters Günther Schneider-Siemssen wird zwar nicht mehr das Regie-Handwerk von Karajan zu sehen sein – daran darf sich jetzt die Regisseurin Vera Nemirowa ausprobieren -, doch ist der Ehrfurchtsgedanke in Salzburg enorm. Selbst Christian Thielemann ist davon nicht unbeeindruckt, denn als einstiger Karajan-Assistent spürt er noch heute den Schatten des großen Maestro: „Ich befürchte, mehr als einem lieb ist. Der kriegt das alles mit, natürlich. Ich glaube, den würde das freuen. Und was ich jetzt höre von den Proben, sind die Leute alle hin- und hergerissen. Das weckt Erinnerungen an vor fünfzig Jahren, die auch sehr schön sind.“
Kritiker halten den Versuch der Wiederauffrischung eines vor einem halben Jahrhundert entstandenen Musiktheaterwerkes für reaktionär. Dabei scheint dies derzeit ein kleiner Trend zu sein, auch Lyon und Mailand üben sich bekanntlich in der Re-Animation unvergesslicher Theaterereignisse (Wittenberg und andere Kleingeisterstädte versuchen unvergleichlich Ähnliches zeitgleich an einer Mönchskutte, aber das ist eh’ eine ganz andere Liga als Salzburg).
Man könnte den Vorwürfen den durchaus interessanten musealen Aspekt entgegenhalten, denn wer kommt heutzutage schon noch in den Genuss, über ein Karajan-Bühnenwerk urteilen zu dürfen? Wer dieser Ästhetik die Kritik am Regietheater vorwirft, unterliegt im Zusammenhang mit der Gattung Oper einem Missverständnis. Denn Musiktheater ohne Regie ist kein Musiktheater.
Darüber hinaus hat der Blick ins Opern-Museum noch einen anderen Reiz: Herbert von Karajan unterstrich sein Bekenntnis zu den Osterfestspielen in seiner Geburtsstadt damals wie folgt: „Weil dies für mich der schönste und geeignetste Platz ist, eines der wichtigsten Opernwerke von Wagner, an dem ich mein ganzes Leben gearbeitet habe und das meinem Herzen am nächsten steht, in die Tat umsetzen zu können.“