Die Geigerin Uta-Maria Lempert, deren musikalisches Spektrum von der Barockmusik bis zur Moderne reicht, bringt es auf den Punkt: Sie weiß allerdings auch, wie schwer es gerade Neue Musik heute noch hat: „Wir erhoffen uns nach wie vor ein breiteres Publikum, da suchen wir weiter nach Möglichkeiten und Wegen. Wir versuchen auch Projekte auf die Beine zu stellen, wo wir mehr Leute ansprechen können. Denn wir wollen gerne Musik machen, die einerseits uns anspricht und herausfordert, und andererseits ihre Leute findet.“ Genau deswegen hat sich Uta-Maria Lempert auch so sehr auf das Murnau-Projekt mit Helmut Oehring gefreut, der dem 1927 in Hollywood entstandenen Stummfilm – seinerzeit eine der teuersten Produktionen überhaupt – eine eigene Klangsprache verpasst hat. Ursprünglich für Aufführungen in der Schweiz sowie in Frankreich, inzwischen für Hellerau nochmal überarbeitet. Komponist Helmut Oehring bekennt, er liebe diese Art von Transfers, also Verwandlung, aus Literatur einen Film und aus Film eine Komposition zu machen. Um dann alles zusammen zu erleben. Der 1961 in Berlin geborene Künstler mag es, „wenn alle Sinne angesprochen werden, also ich mich als Mensch auf dieser Erde wahrnehmen und vermitteln darf. Mit einer uralten Geschichte, die mir erzählt wird, von Frau und Mann, von Dorf und Stadt. Vom Leben auf dieser Erde.“
Das könne er natürlich nicht musikalisch untermalen: „Weil Musik nicht Tapete ist.“ Als Komponist habe er die Aufgabe, „die Dinge, die Murnau nicht gezeigt hat, und die auch das Buch nur andeutet, auf ganz subtile, emotionale Art und Weise zu komponieren und zu erzählen, wie es eben nur die Musik kann.“ Musik sei für ihn „die Königin der Erzählerinnen“. Und das Geburtstagskind ensemble courage durfte sich dafür feiern lassen, „dieses Universelle, was im Film drin ist an Gefühlen und Zuständen, die aber nicht auf den ersten Blick zu sehen sind“, hörbar zu machen. Oehrings Musik schaffe einen Spiegel, formulierte es Uta-Maria Lempert. Man habe die Möglichkeit, alles etwas individueller zu sehen. „Das Schöne ist doch, dass wir keine illustrative Musik spielen, die diesen Film untermalt. Da hätten wir keine Neue Musik gebraucht.“ Und dafür hätte ein Helmut Oehring wohl auch kaum zur Verfügung gestanden. Der Berliner Komponist steht vielmehr für unangepasstes Wagnis, für die Suche nach ganz neuen Verbindungen.
Murnaus 1927 in Hollywood entstandenes Meisterwerk präsentiert eine geradezu existenzialistische Geschichte und stellt seit 90 Jahren einen Meilenstein der Filmkunst dar – der nun wieder mit einem ganz neuen Klangbild aufleuchtet. Symbolische Bilder, die Murnau erzählt, aus denen die Musik nun noch sehr viel mehr hervorgeholt hat. Die »Seven Songs for Sunrise« von Helmut Oehring sind damit ein höchst würdiges Geburtstagsgeschenk zum zwanzigjährigen Bestehen des ensemble courage.