Theater, keine Frage, ist existenziell für die Gesellschaft. Sie braucht es als ihren Spiegel. Was aber, wenn es nur noch von einer Minderheit wahrgenommen wird? Wenn Theater und Gesellschaft einander fremd werden? Das sei eine Provokation, hieß es auf der Dresdner Jahreshauptversammlung des Deutschen Bühnenvereins. Gut 250 Intendantinnen und Intendanten sowie Verwaltungschefs der deutschen Theater und Orchester trafen sich jüngst im Kraftwerk Mitte. Ganz absichtlich ging um Diverses bei dieser Tagung. Nicht um Beliebigkeit, sondern um den Reichtum einer diversen Gesellschaft. Den wollte man sichtbar machen, damit er nicht als Bedrohung empfunden wird. Diversität also.
Passenderweise fand dieses Jahrestreffen des Bühnenvereins im Bühnenbild von »Sindbad der Seefahrer« statt, der ja real wie literarisch von Grenzüberschreitungen lebt. Dresdens Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch machte als Quasi-Gastgeberin den Zusammenhang deutlich: „Zum Programm und auch zu der Podiumsdiskussion glaube ich, dass es ein gut gesetztes Thema war, über das Eigene und das Fremde zu sprechen. Natürlich haben wir eine Aufgabe in der Stadt, mit Fremdenfeindlichkeit umzugehen. Insofern bin ich dankbar, dass die Jahreshauptversammlung auch mit diesem Thema abgeschlossen wurde.“
Dieses Thema zog sich durch das gesamte Treffen des Bühnenvereins. Die abschließende Podiumsdiskussion sollte es auf den Punkt bringen: »Wir müssen reden! – Das Fremde und das Eigene« war sie überschrieben und blieb notwendigerweise etwas unentschieden, ob das Fremde nun als eigentliches Lebenselixier im Sinne von Neugierde auf das Unerwartete oder als Bedrohung bestehender Verhältnisse angesehen wird. Marc Grandmontagne, Geschäftsführender Direktor des Bühnenvereins, setzte auf Optimismus: „Man sollte sich von der Präsenz solcher rechten oder identitären Strömungen nicht in dem Glauben erschüttern lassen, dass es noch viele andere gibt, die ganz anders denken.“ Man lebe in einer Demokratie, meinte er, in der sich ganz viel ändert, was für Irritationen sorgte – „und diese Irritationen muss man durch einen Diskurs aushandeln.“
Von solch optimistischem Herangehen war die gesamte Tagung geprägt. In Zeiten gesellschaftlicher Spannungen und Zerwürfnisse wolle man mit künstlerischen Mitteln gegensteuern, so Grandmontagne. Die Kunst habe andere Möglichkeiten hat als der Diskurs, der immer nur rational, kritisch, wissenschaftlich, über trockene Argumente geführt werde. Für Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters Berlin und seit Jahresbeginn Präsident des Bühnenvereins, gehe die Kunst immer Umwege und sei dieser Umweg der Kunst der kürzeste Weg, sich zu verstehen. Er spüre generell „mehr Lust als Angst“ und setze Kultur mit Offenheit gleich. Eine Haltung, die er durchaus auch in problematischen Bürgerforen praktiziert.
Das Dresdner Intendantentreffen widmete sich natürlich auch strukturellen Fragen der eigenen Verbandsarbeit. Die solle – Stichwort Vernetzung – moderner gestaltet werden. Konkretes Resultat dieser Zusammenkunft: Auf Initiative des Berliner Maxim-Gorki-Theaters legt der Deutsche Bühnenverein ein Stipendien-Programm für türkische Künstlerinnen und Künstler auf, die wegen ihres Demokratie-Engagements in Not geraten sind.
Möglicherweise mag man den ganz großen Ruf aus Dresden vermissen, aber sowohl Khuon als auch Grandmontagne setzen auf Kontinuität ihrer Arbeit. Sie sind sich darin einig: „Es gibt den Ruf aus Dresden, aber es darf nicht der Anschein erweckt werden, dass es sich hier nur um Dresdner oder ostdeutsche Probleme handelt.“ Annekatrin Klepsch resümierte: „Insofern war das auch eine Veranstaltung, die sich vor allem mit inneren Abläufen, Methoden und Formaten befasst hat. Aber sie war nach einem Generationswechsel zwingend notwendig und ich glaube, die Ergebnisse sind durchaus vielversprechend.“