Nachdem die Eule-Orgel mit Interpretationen der drei Dresdner Organisten von Kreuzkirche (Holger Gehring, der auch der Instrumentenverantwortliche des Hauses ist), Frauenkirche (Samuel Kummer), Kathedrale (Johannes Trümpler) sowie mit dem für dieses Jahr engagierten Palastorganisten Olivier Latry, dem Titularorganisten von Notre Dame de Paris, das neue Instrument angespielt hatten, begann am Mittwoch mit einem Programm »Englische Orgelmusik« der Dresdner Orgelzyklus. Der französische Organist stellte bereits in einem Philharmonischen Konzert zusammen mit den Streichern und Pauken des Orchesters das Orgelkonzert von Francis Poulenc in einer ästhetisch äußerst reizvollen Interpretation vor. Nun also gab es mit Holger Gehring Musik aus dem Ursprungsland konzertanter Orgelaufführungen auch außerhalb der Kirchen, aus England. Anders als in der deutschen Tradition protestantischer Orgelmusik war hier von Anfang an auch im Konzertsälen eine Orgel üblich. Sie wurde solistisch virtuos gebraucht, oft ohne Orchester, aber auch als Teil der sinfonischen Ensembles. Von kirchlicher Praxis losgelöst, verwendete man auch andere musikalische Formen. Märsche traten an die Stelle von Choralbearbeitungen. Sonaten herrschten vor oder Rhapsodien, Chansons, Preludes, Impromptus. Oft prägten leichtgewichtige Stücke im populären Stil mit melodischem Einfallsreichtum und farbenreicher Harmonik die Werke.
All das bestimmet auch das Programm von Holger Gehring, der mit überzeugender Einfühlung die Musik mit vielfältigen Klangfarben und geschickter Registrierung bestmöglichen Effekt erzielte. Mit faszinierender Virtuosität erklangen so die »Piecen« und markanten Märsche von Edward Elgar, der 1896 im Auftrag des Verlegers Novello (übrigens schrieb Robert Schumann seine »Noveletten« für diesen Verleger) zum diamantenen Jubiläum von Queen Victoria dieses Stück komponierte. Immer wieder wird man bei ihm an die »Pomp and Circumstances«-Märsche erinnert. Auch seine hier erklungene Sonate G-Dur op. 28 fordert neben der sinfonischen Anlage virtuose Treffsicherheit. Kurze Fantasiestücke zwischen »Folk Tunes«, Scherzo und »Paean« von Percy Whitlock in einem pianistischen Stil, der aus der Tradition von Etuden und Preludes der Klaviermusik gewachsen war. Fast schon im Charakter französischer Impressionismen von Louis Vierne oder Alexandre Guilmant zeigten sich die Rhapsodie Nr. 1 in Des-Dur von Herbert Howells. Damit entstand ein instruktiver Einblick in die Besonderheiten der englischen Orgelmusik, wie man sie in der Londoner Westminster Abbey hören kann. Holger Gehring traf den rechten Ton und wurde für seine Interpretationen gefeiert, ließ die Melodik ausschwingen und arbeitet mit den vier Manualen und den klanglich variablen Registern sowie den Koppeln und anderen Spielhilfen, die der Organist effektiv nutzte. So entstand ein treffender Blick in die einschlägige englische Musik.
Als finalen Höhepunkt gab es noch Variationen über die d-Moll-Sarabande von Georg Friedrich Händel, der zwar aus Halle stammt, aber den größten Teil seines Lebens in London verbrachte. Arno Landmann, aus Weimar stammend und später in Mannheim wirkend, nahm sich des gängigen Themas an. Die vielfältigen Veränderungen des thematischen Materials sind so einprägsam, das mancher der Zuhörer es lange in sich nachklingen ließ, noch dazu es keinen rechten Schluss gab. Entgegen der Praxis seines Lehrers Max Reger vermied er eine große Finalfuge, nur ein Ausklingen, und als Hörer konnte man eigene Variationen weiterspinnen.
Das nächste Orgelkonzert im Kulturpalast findet am 15. November statt. Dazwischen gibt es den Orgelzyklus in Wochenabstand in den großen Kirchen der Innenstadt.