Der letzte Tag des Septembers wurde zum Tag großer Premieren zum Beginn der neuen Opernsaison. Chemnitz bringt Richard Strauss’ »Rosenkavalier«, Leipzig Verdis »Don Carlos« und Dresden nach Bernsteins musicalhafter Oper »Trouble in Tahiti« zum Tag der Einheit die Grand Opéra »Die Trojaner« von Berlioz. Das heißt: große Oper wurde geboten!
Chemnitz greift nach jener „Komödie für Musik“ im Wien der Regierungszeit Maria Theresias. Dresden nimmt vor dem großen Schritt von Berlioz’ gewaltigem Opernepos um den Trojanischen Krieg ein musicalhaftes Spiel im Alltag einer wie von John Updike abgebildeten amerikanischen Familie der 1950er Jahre. Bernstein brachte seine Oper im Nachtrab Kurt Weills 1952 heraus.
Und Leipzig nahm jene Oper Verdis auf, die 1867 als Festoper zur Pariser Weltauststellung im Sinne des Versuchs, auf italienische Weise die französische grand opéra mit allen Festszenen und Balletten zu realisieren, uraufgeführt wurde. Immer wieder änderte der Komponist, strich dramaturgisch unnötige Tableaus und kam in siebter Fassung 1884 zu jener Form, die der Vorstellung eines ‚Musikalisch-Szenischen Dramas‘ nahe kam. Sie trug auch die Inszenierung des einstigen Götz Friedrich Schülers Jakob Peters-Messer und orientierte sich stärker auf die historischen Hintergründe als auf die tragische Liebesgeschichte von Carlos und Elisabeth, von Infant und Königin. So gelangte auch im Zusammenhang mit den Freiheitskämpfen in den Niederlanden die Figur des Marquis Posa immer mehr in den Mittelpunkt. Das Bühnenbild von Markus Meyer schuf ein finsteres Schloss, das mehr einem Franz Kafkas entsprach als dem spanischen Escorial. Dunkle Wände allenthalben, viele Nischen und labyrinthische Gänge prägten ein düsteres Bild der Herrschaft König Philipps und des drückenden Jochs der Kirche mit dem bestimmenden Großinquisitor. Aus dem Bestand er ursprünglichen grand opéra wurden die großen Chorszenen von Autodafé und Aufstand zur Rettung des Infantin bewahrt. Das waren großartige Tableaus, die zur Verabschiedung des scheidenden Chorleiters Alessandro Zuppardo noch einmal die Qualität des Leipziger Opernchores offenbaren konnte. Ansonsten bestimmten natürlich die großartigen Solisten die Aufführung unter der Leitung des stellvertretenden GMD der Leipziger Oper, Anthony Bramall. Ihm gelang es, die Charakterporträts der Personen in der düsteren Atmosphäre des Bühnenbildes lebendig und menschlich zu gestalten.
Als markanter Tenor, manchmal etwas scharf akzentuiert, bewährt sich der aus Südamerika stammende Gaston Rivero als Titelheld, der sich am Ende selbst den Tod gibt. Ihm zur Seite als Freund und Helfer, der auch stimmlich überzeugend gestaltende Marquis Posa von Mathias Hausmann. Herausragend der Italiener Riccardo Zanellato als König Philipp II., der als Erscheinung ausstrahlungsstark wirkte und auch stimmlich dem Großinquisitor von Rúni Brattaberg Paroli bieten konnte. Aus dem Ensemble des Hauses bewährte sich Kathrin Göring als Prinzessin Eboli, die ihrer Partie prägend Profil zu geben vermochte, wie auch die aus Israel stammende Gal James als stimmlich beeindruckend gestaltende Königin Elisabeth. So entstand eine Aufführung, die der finsteren Atmosphäre (vom Lichtdesigner Guido Petzold geschickt aufgehellt) lebendige Gestaltung gab. Die bis auf Carlos (weiß umhüllt) schwarz bestimmte Kleidung (Kostümierung: Sven Bindseil) ließ jene düstere Stimmung zum tragenden Element werden, die oft der musikalischen Klangwelt entgegen lief, aber sich immer wieder aufhellte durch die spannungsvolle Gestaltung der Stimmen. Trotz mancher Ungewöhnlichkeit überzeugte am Ende die Gesamtwirkung und wurde im Schlussapplaus lang anhaltend gefeiert.