Das Konzert der Philharmonie Anfang Oktober führte von Smetanas »Moldau« über Lutosławskis Cellokonzert bis zu Beethovens »Achter«. Schärfere Kontraste sind kaum vorstellbar. Smetanas sinfonische Dichtung über jenen Fluss, der gleichsam das tschechische Nationalbewusstsein prägt, zeigt in bildhaften Szenen das Leben im Wald und auf der Heide, streift Sagen und beschreibt Land und Leute. Die bekannte thematische Melodie, die das Werk als nationale Idee trägt, erlebt eine dramatische Zuspitzung, um das e-Moll des Anfangs heroisch nach E-Dur zu wenden. So stolz fließt der Strom dann am historischen Ursprung Vysehrad vorbei.
Michael Sanderling verlor sich in seiner Interpretation nicht in den Details der Bilder. Was in gefälligen Bahnen sich entfaltete, fand in dem modernsten Werk des Abends schärfere Klanggestaltung, im Konzert für Violoncello und Orchester, das der polnische Komponist Witold Lutosławski 1970 im Auftrag der Londoner Royal Philharmonie Society für Mstislaw Rostropowitsch schrieb. Natürlich wurden für einen solchen Solisten ohne technische Grenzen alle Möglichkeiten der Instrumentalbehandlung genutzt. Und der junge Solist Julian Steckel kam auf seine Weise den Ausdrucks- und Gestaltungsanforderungen des Werkes bewundernswert nach. Das Werk ist aber nicht nur ein Solokonzert, sondern auch auf eine sinfonische Anlage hin gestaltet. Der Solist ist der Einzelne, der dem Tutti, der Gemeinschaft des Orchesters, gegenübersteht. Aus getrennten Tönen des Anfangs, dem Suchen nach klanglichen Möglichkeiten, wächst der Solist zu einer Persönlichkeit, die dem Orchester widerstehen kann. Es kommt zu Konflikten, die in aller Klanghärte moderner Musik ausgespielt werden. Michael Sanderling vermochte die Philharmoniker in klugem Abwägen den Forderungen des Solisten, des Einzelnen, nachzukommen, so dass die Auseinandersetzungen nachvollziehbar wurden. So wurde das ganz anders geartete Werk gerade im Kontrast zur traditionellen »Moldau« zu einem besonderen Erlebnis und der Solist begeistert gefeiert. Mit einem Satz aus den Suiten für Violincello solo von Johann Sebastian Bach bedankte er sich dafür.
Ganz im Gegensatz zu den Klangflächen des Lutosławski-Konzerts stand nun Beethovens 8. Sinfonie in der Pastoraltonart F-Dur. Im allgemeinen wird dieses Werk in klarer, zurückhaltender Interpretation (an Joseph Haydn erinnernd) vorgestellt. Das ist Tradition seit der Februar-Akademie von 1814: dort war sie als Ruhepunkt zwischen der expressiven antinapoleonischen »Siebenten« und der programmatisch-plastischen »Schlachtensinfonie« eingefügt. Michael Sanderling nahm das Werk aus dieser Tradition und gestaltete daraus eine eigenwillige Interpretation, akzentuierte in aller Schärfe die Orchesterschläge, die zum Teil die melodische Führung der Themen zerschlug, die Akzente über Gebühr forcierte. Klassischer Haydn passé, grimmiger Beethoven vollendet erkennbar. So entstand eine äußerst lebendige Interpretation eines sinfonischen Werkes zwischen der markanten »Siebenten« und des umfassenden humanistischen Credo der »Neunten«.