Geradezu erstaunlich, dass Martin Helmchen noch nie mit der Sächsischen Staatskapelle musiziert hat. Dabei ist er seit langem ein Bewunderer dieses Orchester und darüber hinaus ihrem Ehrendirigenten Herbert Blomstedt künstlerisch sehr eng verbunden. Nun gibt der Berliner Pianist sein Debüt und es ist gut möglich, dass er schon bald öfter in Dresden zu erleben sein wird.
Martin Helmchen, Sie sind Jahrgang 1982, Herbert Blomstedt hat dieses Jahr seinen 90. Geburtstag gefeiert – welche Beziehung haben Sie zu diesem Maestro?
Das ist eine ganz besondere und enge Beziehung für mich, er ist eine der allerwichtigsten Persönlichkeiten in meinem musikalischen Leben. Ich war zwar schon immer ein großer Fan von ihm, doch vor etwa acht Jahren habe ich ihn persönlich kennengelernt, seitdem musizieren wir regelmäßig miteinander. Sein Einfluss ist nicht nur künstlerisch, sondern auch menschlich für mich enorm wichtig. Herbert Blomstedt strahlt eine ungeheure Großzügigkeit und Wärme aus, gleichzeitig verfügt er über unglaubliche Einsichten in die Tiefe der Musik. Das überträgt sich auf jeden Zuhörer, dieses menschliche Miteinander in der schönsten Sache, die man teilen kann, der Musik. Dank seiner jugendlichen Frische, Energie und Lebenslust steht das Gemeinsame in der Musik stets im Vordergrund. Ich bin von ihm sehr beeindruckt und wohl auch in meinen Idealen geprägt worden, was für meine Lebensführung als reisender Musiker nicht zu verachten ist.
Mit der Sächsischen Staatskapelle haben Sie noch nie gearbeitet – und trotzdem schon ein Verhältnis?
Bis jetzt ist das nur ein Bewundern von außen. Aber ich habe einige Freunde und Bekannte, die am Haus und im Orchester gearbeitet haben, dadurch fühle ich mich jetzt schon, obwohl es das ersten Mal ist, dem Klangkörper verbunden. Wenn ich die Kapelle in Sinfoniekonzerten und Opernaufführungen in Dresden sowie in anderen Städten gehört habe, waren das immer sehr eindrückliche Hörerlebnisse für mich. Auch jetzt die erste Probe war so unglaublich natürlich, als würden wir uns alle schon lange kennen.
Im Sonderkonzert spielen Sie Mozart, war das Ihr Wunsch?
Ja, dieses Klavierkonzert von Mozart war tatsächlich mein erster Wunsch. Ich finde, das Stück passt in seiner Festlichkeit unglaublich gut zur Vorweihnachtszeit. Aber auch darüber hinaus ist Mozart einer meiner ganz zentralsten Komponisten in den letzten Jahren und vermittelt mir immer wieder ein besonderes Glücksgefühl, Musiker zu sein. In den Klavierkonzerten steckt vielleicht sein größtes Vermächtnis, neben den Opern sind das die größten Gipfelwerke.
Dabei sind Sie gar nicht auf Mozart festgelegt, Ihr Repertoire ist enorm breit?
Ich hatte in meinem Leben und Studierphasen verschiedene Einflüsse, als Teenager war ich zum Beispiel bei einer russischen Lehrerin, die mich sehr virtuos geprägt hat. Durch verschiedenste Begegnungen mit Dirigenten und auch mit Sängern ist mein Fokus näher zur Wiener Klassik gerückt, somit zur historischen Aufführungspraxis. Der Schwerpunkt zwischen Bach und dem mittleren 20. Jahrhundert liegt also dort und in der deutschen Romantik. Aber das ist eine lebenslange Reise, man muss früh beginnen – und braucht lange, um die eigene Sprache zu lernen und die eigene Stimme zu finden.
Dabei hilft Ihnen die Kammermusik?
Unbedingt! Ich bin ein leidenschaftlicher Kammermusiker, das sind für die bereicherndsten Momente, die ich von der Bühne empfange. Davon habe ich mich immer sehr inspirieren lassen. Daher gehe ich auch an jedes Klavierkonzert gewissermaßen kammermusikalisch heran, besonders bei Mozart, wo ja immer gleichberechtigte Dinge zwischen Solo und Orchester passieren.
Der Kammermusik haben Sie aber auch Ihrer Frau, der Cellistin Marie-Elisabeth Hecker, zu verdanken?
Ja, wir haben uns über das Musizieren kennengelernt, bevor es privat enger wurde. Auf der professionellen Ebene gab es eine unglaubliche Wertschätzung, wir sind wahrscheinlich unsere größten Fans – das haben wir dann auch ins Private mitgenommen. Heute empfinden wir das als ein ganz natürliches Miteinander.
Damit engagieren Sie sich auch beim Projekt Music Road Rwanda?
Dieses Projekt hat meine Frau aus der Taufe gehoben. Wir bemühen uns, Kindern in Ruanda, vor allem Waisen und Straßenkindern, einen Zugang zur Musik zu verschaffen, Ihnen die Ausbildung zu bezahlen und Instrumente stiften. Dazu hätten wir gern noch viel mehr Zeit, denn neben dem Konzert- und Familienkalender wird es manchmal recht eng. Aber es wird wunderbar angenommen, durch gemeinsame Freunde erfuhren wir von einer Musikschule in Kigali, die von Einheimischen betreut wird und wo Kinder und junge Erwachsene mit großer Begeisterung ausgebildet werden. Ihre Lernfähigkeit ist atemberaubend, gerade in unserer von Möglichkeiten so übersättigten Gesellschaft ist es erstaunlich, mit welcher Wachheit, mit welchem Talent und Feuer die Leute dabei sind und in wenigen Wochen Grundlagen erwerben, dass sie in Orchestern mitspielen können. Davon nehmen auch wir selbst sehr viele positive Eindrücke und Inspiration mit.
Ließe sich da etwas auf die Situation hierzulande übertragen?
Im Vergleich mit anderen Ländern gibt es an unseren Musikschulen großzügige Möglichkeiten. Aber was die Breitenbildung angeht und insbesondere junge Menschen aus bildungsferneren Elternhäusern, da gibt es schon Nachholbedarf. Ganz wichtig ist, an den Schulen nicht am Musikunterricht zu sparen. Die Menschen sollten doch wissen, was das Spannende an der Musik ist. Das halte ich für extrem wichtig. Darum muss sich auch an den Musik- und Hochschulen was tun, denn die Lehraufträge sind kaum menschenwürdig, was Honorar- und Arbeitsbedingungen angeht.
Sie waren einst der erste West-Berliner, der das Musikgymnasium Carl Philipp Emanuel Bach und anschließend die Musikhochschule Hanns Eisler besuchte. Sind diese Erfahrungen heute noch relevant?
Absolut, ich erwähne das immer wieder, dass ich der Schule unglaublich dankbar bin für den Luxus, einen mit der professionellen Musikausbildung abgestimmten allgemeinbildenden Lehrplan zu haben. Und auch die Inspiration durch meine Klassenkameraden, unter denen großartige Musiker waren, hat mich sehr stark geprägt, zumal ich selbst nicht aus einer Musikerfamilie komme. Inzwischen ist dieses Schulkonzept auch für meine Frau sehr wichtig, da sie am hiesigen Landesgymnasium unterrichtet, eine Wunschstelle für sie. Dieser Rote Faden zieht sich also fort. Ich habe sie hier auch schon begleitet. Sicherlich werden wir hier auch mal gemeinsam zu erleben sein, etwa in Kammermusik oder in Lehrer-Schüler-Konzerten.
Vielen Dank für das Gespräch!