Von Dresden aus hat Olaf Bär eine Weltkarriere gestartet. Dresdner ist er bis heute geblieben. Seine Eltern haben ihn als Dreijährigen bei den Landesbühnen Sachsen vorgestellt, wo ein blondes und blauäugiges Kind gesucht worden war, um in Puccinis »Madam Butterfly« mitzuwirken. Der Sohn einer an Kunst und insbesondere an Oper interessierten Arbeiterfamilie erfüllt beide Bedingungen. Außerdem muss er sich so gefällig auf den Bühnenbrettern bewegt haben, dass es für alle Beteiligten eine Freude war. Noch heute bekomme er eine Gänsehaut, wenn er die Auftrittsmusik hört, zu der er auf den Schultern der damaligen Sängerin in die Szene getragen worden ist. „Das hat sich mir eingebrannt, meine Eltern haben das damals ganz offensichtlich schon registriert.“ Irgendwann müssen sie auf die Idee gekommen sein, dass ihr Sohn sich auf diesem Gebiet weiterentwickeln könne.
Das hat Olaf Bär getan. Schon bald kam er zum Kreuzchor, wo er nur zwei Monate Vorbereitungszeit gehabt hat. „Ab dem Zeitpunkt war die klassische Musik mein Lebensinhalt“, blickt der Jubilar zurück. Beizeiten sang er im Knabenchor mit namhaften Solistinnen und Solisten, die er in hohem Maße bewunderte, stand als blutjunger Solist sogar selbst neben dem verehrten Tenor Peter Schreier auf dem Podium. Für Olaf Bär waren das Vorbilder. Er wußte: „Das will ich auch machen!“
1983 erhielt er die Einladung zu einem Gesangswettbewerb in London. Daraus ging später der Wigmore-Hall-Wettbewerb hervor. Olaf Bär trat in dessen erstem Jahrgang an – sah, sang und siegte. Zum Preis gehörte ein Liederabend in der Wigmore Hall, der große Überraschungen für den jungen Preisträger bereithielt: „Meine Managerin hatte da den Intendanten von Covent Garden sowie den Chef von EMI eingeladen, damals bekannt als die Firma mit dem Hund vor dem Trichter. Bei der haben auch die Beatles gesungen – und schon bald durfte ich auch in den berühmten Studios an der Abbey Road singen.“ Natürlich sei er damals auch über die zur Ikone gewordenen Zebrastreifen gegangen.
Wenig später erhielt Olaf Bär einen Solistenvertrag an der Semperoper. Er war der erste Solist, der das wiedereröffnete Haus mit seiner Stimme erfüllte. Darauf ist er heute noch stolz. Schließlich hatte er das Haus noch als Ruine kennengelernt – „und nun in diesem Haus zu singen, das war schon ein ganz besonderes Gefühl!“ Bär war alsbald – und das ist keine Übertreibung – in aller Welt gefragt. Von Bayreuth über Berlin ging es nach Chicago und Glyndebourne, von Mailand über Paris nach Japan und in die USA. Den Mauerfall 1989 erlebte er in Australien vorm Fernseher.
Ein anderer war mit einer veritablen Stimmkrise verbunden: „Ich habe einfach stimmtechnische Fehler gemacht. Ich habe über Atmung nie nachgedacht, also über das, was ich heute für das alles Entscheidende und Wichtigste halte.“ Mit professioneller Hilfe hat Olaf Bär diese Krise überwinden können und vermittelt seine überaus reichen Erfahrungen heute als Professor für Liedgesang an der Dresdner Musikhochschule. Derzeit arbeitet er an der jüngst wiedereröffneten Staatsoper Berlin unter Daniel Barenboim. Einmal mehr steht Puccini auf dem Programm. Diesmal »La Bohème«.