Der Auftakt war Anspruch: Im Eröffnungskonzert durch die Sinfonietta Dresden ging es um nichts weniger als um die titelgebende Herausforderung »Der Mensch: Ein Vorsteiger. Zwischen Gipfeln und Abgründen«. Unter Leitung von Milko Kersten erklangen Werke von Witold Lutoslawski, Gerard Grisey und Carsten Hennig , von Letzteren eine Uraufführung für das im polnischen Zgorzelec errichtete Europäische Zentrum Erinnerung, Bildung, Kultur.
Auf dem Gelände des einstigen Kriegsgefangenenlagers StaLag VIIIa, wo der Komponist Olivier Messiaen im Winter 1940/41 inhaftiert war und sein „Quartett für das Ende der Zeit“ unter unvorstellbaren Umständen fertigstellen und uraufführen konnte, wird seit zehn Jahren jeweils am Uraufführungsdatum 15. Januar ein Erinnerungskonzert mit diesem Werk zelebriert. Zunächst in einem beheizten Zelt, das dort Jahr für Jahr neu aufgebaut worden ist, seit 2015 im eindrucksvollen Neubau des Europäischen Zentrums. Dessen Träger ist der enorm engagierte Meetingpoint Music Messiaen.
Voriges Jahr wurden aus diesem Gedenken zum ersten Mal Internationale Messiaen-Tage mit einem umfangreichen Begleitprogramm entwickelt. Dass sie nun fortgesetzt werden, lässt darauf schließen, dass sowohl auf deutscher als auch auf polnischer Seite erkannt worden ist, wie bedeutend dieses verbindende Engagement ist. Gelebte Gedenkkultur, die einst der aus Leipzig stammende Humanist Albrecht Goetze anregte. Er hat in Gang gesetzt, was heute glücklicherweise als unverzichtbar gilt. Längst hätte die Geschichte um Messiaens »Quartett für das Ende der Zeit« eine adäquate Verfilmung verdient. Immerhin wird mit Führungen durch die europäische Doppelstadt, in Museen sowie auf dem einstigen Lagergelände wachgehalten, welches Leid hier geschah – aber auch, welche Hoffnung Musik stiften konnte.
Veranstaltungsorte dieses kleinen Festivals sind neben dem Europäischen Zentrum auch Museen und Kirchen, Geschäfte und Galerien. Da ging es um »Görlitz unterm Hakenkreuz« und »Schlesien im Nationalsozialismus«, wurden archäologische Forschungen auf dem heute zum polnischen Zgorzelec gehörenden StaLag-Gelände sowie »Zwangsarbeit in Görlitz« erläutert. Musikalisch reichte das Spektrum von Mozart über Messiaen und Ginastera bis hin zu Elliot Sharp und Fazil Say. Das renommierte Lutoslawski-Quartett interpretiert morgen im Abschlusskonzert Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“.
Dass diese gelebte Form der Erinnerungskultur durch den Meetingpoint Music Messiaen inzwischen eine institutionelle Förderung durch das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) erhält, ist Ausdruck für die Relevanz des Ortes und seiner Geschichte. Kunstministerin Eva-Maria Stange bezeichnete den Meetinpoint als „Meilenstein“ und will dieses „Referenzprojekt sächsisch-polnischer grenzüberschreitender, kultureller Zusammenarbeit“ langfristig auf eine sichere Basis stellen.