Der neue Erste Gastdirigent der Oper, Omer Meir Wellber, fasste es in seinem Statement so zusammen: Tradition schön und gut – aber man muss der Kunst auch Frischluft zuführen, die Fenster aufmachen, ein- und ausatmen. Dieses Bild mag so generell stehenbleiben für all die künstlerischen Perspektiven, die der neue Intendant Peter Theiler in und für Dresden hat. Großen Klassikern des Genres wird ausreichend Platz eingeräumt, aber immer und überall finden wir die Dinge etwas weitergedreht, klug befragt und mit interessanten künstlerischen Partnern umgesetzt. Er habe „keine Berührungsängste“, sagte Theiler im Zusammenhang mit einem Fotoshooting der Dynamo-Ultras im Opernrund, aber auch das darf vielleicht etwas generell für seinen Ansatz gelten. Bei vielen dieser Ideen fragt man sich, warum eigentlich in den letzten Jahren keiner drauf gekommen ist, das Dresdner Publikum auf diese Art gleichzeitig gütlich zu stimmen und herauszufordern. Meyerbeers große »Hugenotten«-Oper etwa wird zum vierten Mal überhaupt an der Dresdner Oper einstudiert – von Dresdens verlorenem Regisseurs-Sohn Peter Konwitschny, der nach dem »Csárdásfürstin«-Eklat 1999, bei dem der damalige Intendant unter Androhung von Ordnungshaft gerichtlich gezwungen wurde, seine inhaltlichen Eingriffe in Konwitschnys Inszenierung rückgängig zu machen, nicht mehr in der Landeshauptstadt inszeniert hat. Spannend!
Nachfragen, die jüngst öffentlich gewordene Verstimmung zwischen Chefdirigent und künstlerischer Disposition des Hauses betreffend, bügelte ein sichtlich gut aufgelegter Christian Thielemann ab: „Ich hab grad so’n Piepen im Ohr! Sie auch, Herr Theiler?“ Man sei ja schließlich hier, um gemeinsam nach vorn zu blicken. Auch nach dem Thema des eingeräumten Missbrauchs im Semperoper Ballett fragten die Journalisten – ein einsätziges, recht dürres Statement von Aron S. Watkin bügelte hier ab, man prüfe das nach Hinweisen zur Zeit intensiv. »Musik in Dresden« wird das Thema weiter begleiten.
Blicken wir also wie gewünscht nach vorn, können wir für heute festhalten, dass zwischen allen künstlerischen Mitstreitern am Haus der Wille besteht, zukünftig gut und eng zusammenzuarbeiten. Die engere Bindung von Omer Meir Wellber ans Haus verspricht eine größere künstlerische Kontinuität auch im Opernbereich, und das ist nicht nur für die Staatskapelle eine sehr gute Nachricht.
Das visuelle Konzept der Oper wird übrigens – auch hier ist der respektvolle Umgang zu spüren – in wesentlichen Teilen beibehalten, aber eben auch behutsam weiterentwickelt. Künftig werden zwei Grafiker fest am Haus angestellt, die für die Oper künstlerische Ideen entwickeln. Eine „hohe Wertigkeit“ des Auftritts solle beibehalten werden, aber eben „mit Störfaktoren“, die Bernd Hartwig wie einen Ariadnefaden durch die Präsentation zieht. Künftig begleitet dazu ein eingeladener Künstler die Spielzeit – diese Funktion wird 2018/19 der Berliner Fotograf Andreas Mühe innehaben.
Ein Mitschnitt der gesamten Spielzeit-Pressekonferenz ist hier abrufbar.
Die wichtigsten Details, der Pressemeldung entnommen:
„Am 29. September 2018 eröffnet die Neuinszenierung von Arnold Schönbergs Schlüsselwerk »Moses und Aron« unter der Regie des bildstarken Katalanen Calixto Bieito die Saison: Wie keine andere Oper steht Schönbergs Werk musikalisch wie programmatisch für Aufbruch und Herausforderung. Unter der Musikalischen Leitung von Alan Gilbert, stehen mit Sir John Tomlinson und Lance Ryan zwei Interpreten von Weltrang in den Titelpartien auf der Bühne der Semperoper.
Unter der Musikalischen Leitung von Christian Thielemann und inszeniert von David Hermann folgt als nächste Premiere der Oper im Dezember Richard Strauss’ »Ariadne auf Naxos« in einer Koproduktion mit der Opéra national de Lorraine, Nancy sowie mit der Opéra de Lausanne.
Mit Bedřich Smetanas komischer Oper »Die verkaufte Braut« präsentiert im März 2019 die international gefeierte Regisseurin Mariame Clément mit scharfem inszenatorischem Blick erstmals eine Arbeit an der Semperoper. Als Hans ist in seiner ersten Neuproduktion an der Semperoper der slowakische Startenor Pavol Breslik zu erleben, am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden steht Tomáš Netopil.
Die für einen Tenor komponierte Partie der »Platée« ist eine der Glanzrollen der französischen Barockoper. Zum ersten Mal wird die als Ballettoper konzipierte Geschichte um die unglückliche Nymphe im April 2019 in einer Neuinszenierung des Opern-Stars Rolando Villazón in Dresden zu genießen sein. Dirigent Paul Agnew stand als Sänger selbst unzählige Male in der Titelpartie auf der Bühne. Philippe Talbot, der die Titelpartie bereits in Paris interpretierte, wird in Dresden zu erleben sein.
Ein wahres Highlight im Premierenplan 2018/19 stellt die Aufführung von Giuseppe Verdis Oper »Nabucco« im Mai 2019 unter der Musikalischen Leitung des neuen Ersten Gastdirigenten Omer Meir Wellber dar. In der Inszenierung von David Bösch – zuletzt 2017 in Dresden für sein Debüt mit Korngolds »Die tote Stadt« gefeiert – wird Plácido Domingo in den Aufführungen am 5., 9. und 15. Juni 2019 die Titelpartie singen.
Den Abschluss der Opern-Saison in der Semperoper Dresden bildet im Juni 2019 Giacomo Meyerbeers Oper »Les Huguenots / Die Hugenotten« unter der Musikalischen Leitung von Alexander Vedernikov. Regisseur Peter Konwitschny kehrt mit der Inszenierung dieses zentralen Werks der französischen Grand opéra nach Dresden zurück.
Die Spielstätte Semper Zwei lädt im Oktober 2018 zur Premiere von »Satyricon« und im April 2019 zur Deutschsprachigen Erstaufführung von »4.48 Psychose« ein. In Kooperation mit den Osterfestspielen Salzburg und dem Teatro Comunale Luciano Pavarotti in Modena entstanden, gewährt Georg Schmiedleitners Inszenierung von Bruno Madernas Kammeroper »Satyricon« einen bitterbösen Einblick in eine von Selbstsucht und Zynismus zerfressene »bessere Gesellschaft«. Die Musikalische Leitung liegt in den Händen von Pietro Borgonovo.
Der Engländer Philip Venables komponierte seine erste abendfüllende Oper »4.48 Psychose« nach dem gleichnamigen, letzten Stück der Schriftstellerin Sarah Kane. Für die Deutschsprachige Erstaufführung an der Semperoper erarbeitete der Komponist eine deutsche Fassung auf Grundlage der Übersetzung des Dresdner Dichters Durs Grünbein.
Ebenfalls in Semper Zwei kommt in der Sparte Semperoper Junge Szene Jacques Offenbachs schwarzhumorige Operette »Häuptling Abendwind« in der Inszenierung des Künstlerischen Leiters Manfred Weiß zur Premiere. Unter der Musikalischen Leitung des Leiters des Jungen Ensembles Thomas Leo Cadenbach bringt ein kannibalisches Dinner eine kleine, aber feine Inselgesellschaft in arge Bedrängnis.
Mit gewohnter Starbesetzung glänzt auch in der kommenden Saison das Angebot an Repertoirestücken und Wiederaufnahmen: Unter anderem sind neben vielen international gefragten Künstlerinnen und Künstlern und beliebten Ensemblemitgliedern Angela Gheorghiu, Anja Harteros, Anja Kampe, Marlis Petersen, Pavol Breslik, Michael Volle, Thomas Hampson und Vitalij Kowaljow zu erleben.
Das Semperoper Ballett ist unter der künstlerischen Leitung von Ballettdirektor Aaron S. Watkin zu einer international renommierten Company gewachsen, deren Erfolg sich in zahlreichen internationalen Tourneen und Gastspielen niederschlägt. Der Spielplan 2018/19 glänzt mit gleich drei aufregenden Neuchoreografien: Den Auftakt macht im November 2018 ein vierteiliger Ballettabend: »Labyrinth« präsentiert Choreografien von George Balanchine, Martha Graham, Ohad Naharin und Joseph Hernandez.
Im Januar 2019 interpretiert die Company des Semperoper Ballett die 2016 mit dem Prix Benois de la Danse ausgezeichnete Choreografie »Carmen« des Schweden Johan Inger, in der er die vertraute Liebestragödie aus dem unverdorbenen Blickwinkel eines Kindes betrachtet.
Ballettmeister Raphaël Coumes-Marquet lieferte Idee und Konzeption für eine neue Interpretation von Lewis Carrolls Geschichten über die kleine Alice, die die Zuschauerinnen und Zuschauer der Semperoper Junge Szene in ein choreografiertes Wunderland führt: Die Uraufführung von »Alice – Eine Reise ins Wunderland« im Juni 2019 gibt in Semper Zwei jungen Mitgliedern der Company die Chance, eigene Choreografien zu entwickeln.
Unter den zahlreichen Repertoirestücken in der Spielzeit 2018/19 findet sich auch der Gewinner des Deutschen Theaterpreises DER FAUST 2016 »COW«. Das Erfolgsstück des schwedischen »Bilderstürmers« Alexander Ekman erlebt nun seine lang erwartete Wiederaufnahme.“