Was war das für ein Aufschrei, als bekannt wurde, dass künftig Sasha Waltz und Johannes Öhman die Intendanz des Staatsballetts in Berlin übernehmen werden. Nun ist soweit. Johannes Öhmann, derzeit noch Chef des Royal Swedish Ballet, wird schon mit Beginn der kommenden Saison in einer ausdrücklich als Übergangsspielzeit bezeichneten Phase die Direktion übernehmen, bevor dann Sasha Waltz ein Jahr später mit ihm gemeinsam die Geschicke des Berliner Staatsballetts, mit über 90 Tänzerinnen und Tänzern eine der größten Kompanien weltweit, übernehmen wird. Dann wird die Choreografin auch eigene Kretaionen präsentieren, die aber ausschließlich neu entstehen sollen. So ist eine Uraufführung für April 2010 geplant zur Komposition einer Auftragsarbeit, die an den Österreicher Georg Friedrich Haas vergeben wurde. Jetzt, so Waltz und Öhman, wolle man eine Brücke zwischen dem klassischen Ballett und zeitgenössischen Handschriften spannen. Kreationen des vorzeitig als Intendant des Staatsballetts scheidenden Nacho Duato wird es künftig nicht mehr geben.
Hatte man bisher Sasha Waltz und Johannes Öhmann nicht zugetraut, das Staatsballett als großes, klassisches Ensemble führen zu können, dürfte sich dieser Eindruck jetzt entscheidend gewandelt haben, denn was sie für die neue Spielzeit ankündigen, entkräftet diese auch nicht immer gänzlich fair verbreiteten Vermutungen. Zu Beginn gibt es einen zeitgenössischen Abend mit Choreographien von Stijn Celis und Sharon Eyal. Kein Geringerer als Alexei Ratmansky konnte gewonnen werden für eine choreografische Neueinrichtung des Klassikers »La Bayadère« von Marius Petipa. Nach historischen Vorlagen wird der dänische Choreograph Frank Anderson »La Sylphide« in der Version von August Bournonville neu einstudieren. Dazu kommt eine neu eigerichtete Fassung des Klassikers »Napoli«, ebenfalls von Bournonville, beide Stücke in enger Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern der Staatlichen Ballettschule Berlin. Dieser Austausch soll verstärkt werden: künftig werden Aufführungen der Ballettschule, die in dieser Saison in die Volksbühne verlegt werden mussten, wieder in der Staatsoper und in der Komischen Oper stattfinden. Ganz im Sinne dieser geplanten Brücke zwischen Klassik und Moderne lässt sich der ebenfalls für die kommende Saison geplante Abend mit einer Uraufführung von Richard Sigal und der Einstudierung einer Choreografie von William Forsythe verstehen, gewissermaßen als Brücke zwischen der klassischen und der absolut zeitgenössischen Moderne. Im Repertoire kommen mit Wiederaufnahmen große Klassiker zurück auf die Berliner Ballettbühnen, »Schwanensee«, »Onegin«, »Der Nussknacker«, »Romeo und Julia«. Da kann man eigentlich nicht meckern und den Neuen alles Gute wünschen und dem Berliner Staatsballett die Wiedererlangung eines Standes in der internationalen Tanzszene, die einer solchen Kompanie gebührt.
Nach der Pressekonferenz zur Vorstellung dieser neuen Saison, die großes – auch internationales – Interesse fand und gar nicht genug Platz bieten konnte für alle Interessentinnen und Interessenten aus nah und fern, dürften sich die Wogen des Widerstandes in Berlin erst mal geglättet haben. In Dresden aber schlagen sie dieser Tage wieder hoch auf im Hinblick auf die künftige Besetzung der Intendanz an der Staatsoperette, für die nach Entscheidung der Findungskommission Kathrin Kondaurow, derzeit Musiktheaterdramaturgin am Deutschen Nationaltheater in Weimar, vorgesehen ist. Kaum war die Entscheidung gefallen, meldete sich seltsamerweise ein Mitglied der Findungskommission zu Wort und machte seinem Unmut darüber Luft. Wer meint, die Wogen hätten sich erst einmal geglättet, muss jetzt erfahren, wie sie wieder hoch schlagen, oder besser hoch gepeitscht werden. Jetzt meldete sich nämlich der Förderverein der Staatsoperette zu Wort, bezweifelte die Eignung der 34-jährigen Dramaturgin, kritisierte erst die Abfassung der Ausschreibung und dann die Arbeit der Findungskommission und richtet sich an die Dresdner Stadträte, sich doch für eine Wiederholung des gesamten Verfahrens einzusetzen. Unterstützung dürfte es von Seiten der SPD-Fraktion und ihres kulturpolitischen Sprechers geben. Eine Mehrheit der Stadträte aus den Faktionen der Linken, der Grünen und der CDU könnte dies aber verhindern, was ja so schon mal geklappt hat, als es um die weitere Finanzierung der Dresden Frankfurt Dance Company ging.
Und vielleicht, mit Blick auf die Stürme in Berlin bei Ankündigung der Neubesetzung der Intendanz des Staatsballets, sollten die städtischen Entscheidungsträger auch in Dresden den Mut haben abzuwarten, was die mögliche künftige Intendantin für die erste Saison 2019/2020 unter ihrer Leitung vorsieht. Vielleicht gibt es ja auch in Dresden, so wie jetzt gerade in Berlin, einen unerwarteten Aha-Effekt?