Tanz als Sprache der Welt, ohne Worte. Tanz ist die Muttersprache des Menschen, so die Berliner Tanzjournalistin Dorion Weickmann. Am 29. April vor 291 Jahren wurde in Paris der französische Tänzer und Choreograf Jean Georges Noverre geboren. Noverre, der auch in Berlin, Straßburg, Stuttgart und Wien wirkte, starb am 19. Oktober 1810. Bedeutend ist er bis heute als Erneuerer und Reformator des Balletts aus dem Geist der Aufklärung, seine Schriften, insbesondere seine Briefe über die Tanzkunst, von denen Lessing einen großen Teil ins Deutsche übersetzte, gehören zu den wichtigen Dokumenten theoretisch-praktischer Auseinandersetzung mit dem Tanz.
Das Tanzkomitee des Internationalen Theaterinstitutes (ITI) rief 1982 den Tag des Tanzes ins Leben, seitdem wird in jedem Jahr dieser Welttanztag, am 29. April, begangen. Zudem veröffentlicht das ITI aus diesem Anlass jeweils eine Botschaft. In diesem Jahr sind es fünf, denn das ITI begeht seinen 70. Geburtstag. Daher wurden fünf Vertreterinnen und Vertreter der Tanzwelt aus Burkina Faso, dem Libanon, aus Hong Kong, Israel und Kuba darum gebeten. Fünf Botschaften, fünf Versuche ganz im Sinne des ITI, „alle Formen des Tanzes zu vereinen, den Tanz zu feiern, seine Globalität hervorzuheben und alle Grenzen von Politik, Kulturen und ethnischen Zugehörigkeiten zu überwinden.“
Der Tanzkünstler Salia Sanou aus Burkina Faso stellt die Frage, wie es möglich sein solle, „diese Botschaft an die Gemeinschaft der Menschen zu richten, ohne dabei all den migrierenden Körpern einen Gedanken zu widmen, die überall auf er Welt zur Reise und zum Exil gezwungen sind?“ Menschlichkeit ist für ihn das Paradigma seines kreativen Schaffens, für ihn hat die Bewegung ihre Geistesblitze, „ihre Harmonien an außergewöhnlichen Orten wie in einem Flüchtlingslager.“ Salia Sanous Botschaft ist es, immer wieder anfangen zu tanzen, Einsamkeit zu überlisten, Angst zu bannen.
Georgette Gebara aus dem Libanon geht es in ihrer Botschaft einmal um Tanzdialog: Ost-West, zum anderen um die rituellen und religiösen Ursprünge des Tanzes: „Der erste tänzerische Ausdruck allerdings war das Gebet und die »drei Buchreligionen«, wie wir sie nennen, entstanden in unseren Gestaden. Die Bewegungen und Gesten de Gebetes gelten deshalb als eine Form des spirituellen Tanzes. Ihr Ursprung geht weiter zurück, als wir erfassen können, aber sie sind gewiss die reinsten, ältesten und geheimnisvollsten Ausdrucksformem des menschlichen Körpers.“
Willy Tsao aus Hong Kong, der seit Ende der 1980er Jahre die Tanzkunst in China fördert und dem es darum geht, wie wichtig der zeitgenössische Tanz für die Entwicklung seines Landes ist, verweist darauf, dass für weiteres Wachsen und Gedeihen des heutigen Chinas die Individualität des menschlichen Ausdrucks unerlässlich ist, die für ihn die Kraft des zeitgenössischen Tanzes ausmacht.
Ohad Naharin aus Israel sagt in seiner Botschaft zum Welttanztag zunächst, dass es beim Tanzen darum gehe, „im Augenblick zu sein, auf das Spektrum der Empfindungen zu hören, und dieses Zuhören zum Befeuern aller Gefühle, Formen und Inhalte zu nutzen.“ Tanz muss für ihn nicht vollkommen sein. Er spricht von einem tänzerischen „Narrativ aus Lautstärke, Sanftheit und explosiver Kraft“, weiter von der „Recherche von Bewegung, Ordnung und Struktur.“ Es gehe auch darum, über uns selbst zu lachen, um „Dynamik, Übertreibung, und Understatement, die Verbindung von Vergnügen und Anstrengung und die Sublimierung der Verrücktheit, Leidenschaft und Fantasie jeder Tänzerin und jedes Tänzers zu einer klaren Form.“
Für Marianela Boán aus Kuba ist es wichtig in ihrer Botschaft zu betonen, dass wir in unseren Körpern die Tänze tragen, die uns retten werden. Sie fährt fort: „Derjenige, der tanzt, berührt den anderen über die Haut hinaus; er berührt sein Gesicht und seinen Geruch, überwindet die Oberfläche und die Grenzen zwischen Körpern und Nationen.“ Für Marianela Boán ist Tanzen, „das große Gegengift für den Irrsinn der Menschheit.“ Jedem Heimatvertriebenen, Flüchtling und Exilanten aus aller Welt sagt sie: „Du hast ein Land, das mit dir geht, das nichts und niemand dir wegnehmen kann: das Land deines Körpers.“ Und um dieses Land des eigenen Körpers immer wieder zu erkunden rät Ohad Naharin in seiner Botschaft zum Welttanztag 2018: „Wir sollten nicht vergessen, jeden Tag ein wenig zu tanzen… und niemals vor dem Spiegel.“