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Willkommen und Abschied

Foto: Martin Morgenstern

Die größten Kritiker des Europäischen Zentrums der Künste haben kaum über die Stadtgrenzen von Dresden hinausgeblickt. Zu teuer, zu randständig, zu experimentell, ätzten sie mit schöner Regelmäßigkeit in Richtung Norden. Dort etablierte sich allmählich, was Udo Zimmermann einst als „Grünen Hügel der Moderne“ ausgerufen hat – in Anlehnung an Bayreuth sowie als Fortsetzung des Dresdner Zentrums für zeitgenössische Musik (DZzM), das aus der Schevenstraße ausziehen musste. Betone „musste“, denn ein solches Grundstück konnte gewinnbringender auf den Markt geworfen werden. In Zeiten knapper Kassen wird Tafelsilber veräußert. Und bei fehlender Weitsicht werden die Hofnarren in die Wüste geschickt.

Nun, aus dieser Wüste, sprich Baustelle, hat Zimmermann mit einem kleinen Team und erheblich gewachsener Unterstützung peu à peu eine klingende Oase etabliert, die Dieter Jaenicke von 2009 an zum bald auch wieder international strahlenden Kleinod aufzuwerten verstand. Allemal besser, einen von Polizei und Militär missbrauchten Musentempel wieder der Kultur zuzuführen, als dass er unter Stiefeltritt und Kommandoton steht.
Merke: Wenn aus der letzten Kaserne eine Kulturbude geworden ist, wird die Welt eine wesentlich bessere geworden sein.

An ihm, William Forsythe, entzündete sich immer wieder der Neid auf die finanzielle Ausstattung, das Unverständnis für die „kulturellen Eliten“, das Kopfschütteln über „die da oben“ auf dem grünen Hügel Dresdens (Foto: PR)

Dieter Jaenicke hat gemeinsam mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein gut Teil dazu beigetragen, das darf man ihm getrost attestieren. Ob die tänzerische Ausrichtung so explizit erfolgen musste, wurde von der Anhängerschaft anderer Genres mitunter in Frage gestellt. Dank übergreifender Verträge hatten die Forsythe-Company (zuletzt als „Dresden Frankfurt Dance Company“) und das Tanztheater Derevo hier ein Zuhause, wurden mit vergleichbaren Produktionshäusern Kooperationen vereinbart, bespielten die Dresdner Sinfoniker das Terrain.
Aber es gab auch die zur Biennale mutierten „Tonlagen“, die Reihe „Feature-Ring“ hat den Jazz in Hellerau etabliert, mit „PORTRAITS“ wuchs ein geschätzter Fotografiewettbewerb heran, gepflegt wurden Chorwettbewerb und Kinderkompositionsklasse, der „Bandstand“ hat gerockt, vorübergehend gab es mit dem Festival Cynetart wahren Aufbruch ins Neue und Experimentelle, rein praktisch hat das gleich hinterm Haus beim Golgipark funktioniert.

Dieter Jaenicke bei seiner Abschiedsrede am Freitag (Foto: Steffen Fuessel)

 

 

 

Jede Auflistung müsste lückenhaft bleiben, festzuhalten ist jedoch die hohe Internationalität von Hellerau in Jaenickes Ägide, schließlich hat der lange in Brasilien wirkende (und bis zum Schluss häufig reisende Ex-)Intendant das Thema Migration wie kaum ein anderer in Dresden mit Leben erfüllt. Sie zählt – nicht nur für ihn, sondern nachweislich – zu den Grundbewegungen der Menschheit. Aus Dieter Jaenickes Abschiedsworten sei daher dies zitiert: „Es wird immer von Flüchtlingskrise gesprochen. Wenn eine Staatengemeinschaft wie die EU mit über 500 Millionen Einwohnern nicht in der Lage ist, zwei bis drei, vielleicht vier Millionen Geflüchtete aufzunehmen, dann haben wir keine Flüchtlingskrise, sondern eine Krise der EU und wir haben eine Krise des viel zitierten christlichen Abendlandes, dessen zentraler Wert die Nächstenliebe ist. Ich bin nicht religiös, aber ich finde, dieser Wert ist nach wie vor eine gültige Handlungsorientierung.“

Carena Schlewitt, übernehmen Sie?!

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