Eben! Und wer jetzt meint, das der Konzert- und Probenalltag die letzten Bastionen undemokratischer Urzeiten wären, sollte sich mal in der Wirtschaft umschauen, der freien Marktwirtschaft zum Beispiel. Käme dort eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter auf die Idee, etwa dem Rüstungsproduzenten Daimler Benz die Flotte mit dem Stern madig zu machen oder dem Volks-Wagnis Abgas-Manipulation zum Zwecke der Umsatzsteigerung zu Lasten von Verdummung und Vergiftung der gesamten Gesellschaft vorzuwerfen – aber hallo! Der Mensch wäre schneller auf der Straße als die Lobbyisten Notfallpläne mit Verschrottungsprämien aus den Schubladen holen könnten.
Womit wir ausnahmsweise bei der Politik wären, die hat in diesen Tagen ja wahrlich keinen schönen Ruf. Und wenn es dann noch zu unschönen Zwischenfällen mit öffentlich-rechtlichem Fernsehfunk kommt, muss der sächsische Oberindianer rasch auf Stimmenfang gehen und seinen uni(n)formierten Helfershelfern attestieren, dass sie die einzigen seien, die „seriös“ handelten. Sie verteidigen schließlich den Rechtsstaat.
Was dem Dirigenten, siehe oben, die korrekte Partitur ist und der Wirtschaft die „modifizierte Software-Einstellung“, das sind ihm „Flagge, Hymne und Stolz“. Letztlich alles Fragen der Einstellung, nicht? Dummerweise hat hier – ausgerechnet vor den Toren des Landtags! – ein hymnisch Stolzer mit dem Farben der Flagge ein Kuckucksei gelegt. Ins Rollen gebracht hat die sächsische Schandtat nämlich nicht irgendein Montagsmauler, sondern ein Mitarbeiter des sächsischen Landeskriminalamtes. Soll die steuerteure Kampagne „Verdächtig gute Jobs“ also doch nicht nur eine Mogelpackung, sondern heftigste Selbstironie gewesen sein?! Die Relativierung folgt auf dem Fuße: Der Mann sei nicht im Dienst gewesen, habe Urlaub gehabt. Klar, das war bei seiner drolligen Kostümierung ja nicht zu übersehen.
Wo also könnte es noch einen Hort der Demokratie geben? Wenn urlaubende Orchestermitglieder sich in Konzerte von zumindest scheinbar rivalisierenden Klangkörpern schleichen und dort die Trillerpfeife anstimmen? Das gibt’s nun aber wirklich (noch) nicht.