Der Kreuzchor, einer der wichtigsten Kulturbotschafter Dresdens, stand in der vergangenen Zeit immer wieder in der Kritik. Man warf unter anderem dem Kreuzkantor Roderich Kreile vor, dass sich der Chor von seinem ursprünglichen Auftrag, geistliche Musiken in der Kreuzkirche zu gestalten, mehr und mehr entfremde und sich insbesondere auf Konzerte außerhalb dieses Kernbereiches konzentriere. Das führe zu einer deutlichen Mehrbelastung der Kruzianer, deren schulische Leistungen darunter zu leiden haben.
Auch in der kommenden Saison legt der Chor einen deutlichen Schwerpunkt auf Konzerte, Tourneen und Auftritte außerhalb des kirchlichen Rahmens in Dresden. Die Kulturbürgermeisterin der Landeshauptstadt Dresden, Annekatrin Klepsch, erklärte zum Auftakt der Saison im Pressegespräch, dass sich der Kreuzchor auch in diesem Jahr in stetiger Präsenz innerhalb unterschiedlichster Formate präsentieren wird, unter anderem schon in zwei Wochen in drei Konzerten beim Festival Mecklenburg-Vorpommern und in einer kleineren Deutschlandtournee Anfang Oktober an der Seite von Sachsens Ministerpräsident. Die Tournee findet wieder unter der Leitung von Roderich Kreile statt, der nach langen gesundheitlichen Problemen „mit wirklicher Lust und Freude“ in den Dienst zurückkehrt.
Trotz der vielschichtigen musikalischen Arbeit des Chores soll sein Zentrum stets in den Vespern und Gottesdiensten in Dresden liegen; allerdings müssen nationale und internationale Beziehungen gepflegt werden. Roderich Kreile sieht den Kreuzchor außerdem als Vorreiter für andere Knabenchöre. So war der Kreuzchor der erste seiner Art, der ein weihnachtliches Stadionkonzert für die breite Masse veranstaltete. Andere sehen diese Konzertform als imageschädigend an; für Roderich Kreile sind sie ein Dank an alle Unterstützer und Steuerzahler, die sich der Kirche nicht verbunden fühlen.
Auch der Chordirigent Wolfgang Behrend wird den Kruzianern natürlich erhalten bleiben, nachdem er Roderich Kreile während seiner Krankheit vertreten konnte. Für Behrend waren es aufregende Monate, er beschreibt selber: „Ich hatte keine Zeit zum Nachdenken, und ich glaube, das war auch ganz gut so.“ Ende dieses Jahres wird er mit einem Teil des Chores eine Skandinavientournee antreten, die die Knaben nach Norwegen und Dänemark führt.
Ein weiterer wichtiger Partner ist auch in dieser Saison die Dresdner Philharmonie. Wichtige Konzerte, die alljährlich wiederkehren, sind ein Anker für den Chor und das Dresdner Publikum. So wird die Philharmonie zusammen mit dem Kreuzchor auch in der kommenden Spielzeit das Weihnachtsoratorium, die Matthäuspassion und viele andere Konzerte gestalten. Die Intendantin der Dresdner Philharmonie, Frauke Roth, betonte, dass auch die Konzerte des Chores im Kulturpalast, außerhalb des kirchlichen Raumes, wichtig sind, da sie eine Alternative für Hörer bilden, die nicht in die Kirche gehen. „Ich kann nicht aufhören zu glauben, dass Musik immer wieder etwas bewegt“, fasste Frauke Roth zusammen. Doch sollte der Fokus der Arbeit eines traditionsreichen Knabenchores, der eng mit der Kirche und geistlicher Musik verbunden ist, tatsächlich auf außerkirchlichen Konzerten liegen? Die vielen zusätzlichen Projekte sind eine starke Belastung für die Knaben, die gleichzeitig noch ihren Schulalltag bewältigen müssen. Um die schulischen Probleme der Kruzianer zu lösen, bildete sich in den vergangenen Jahren eine Arbeitsgruppe, deren derzeitiger Ergebnisstand von Roderich Kreile positiv bewertet wird. Wie genau sich die Flexibilisierung und Individualisierung der Bildungsmöglichkeit umsetzen lässt, wird noch nicht bekanntgegeben. Ähnlich unkonkret wurde erläutert, auf welchem Stand sich die Verhandlungen zwischen Kreuzchor und -kirche befinden, bei der der Chor finanzielle Unterstützung sucht.