Sage noch einer, an der Sächsische Staatsoper gebe es keinen Mut für Wagnis und wirklich Neues! Nun gut, die letzten wirklich großen Uraufführungen auf der Bühne des Musiktheaters liegen schon eine Weile zurück, doch immerhin leistet sich die Staatskapelle Jahr für Jahr einen Capell-Compositeur – aktuell ist dies Peter Eötvös – und mit ihm auch echte Entdeckungen. Und es sind auch Mitglieder des Orchesters gewesen, die sich vor einigen Monaten ein Herz gefasst und die kapelle 21 gegründet haben. Mit Mut zum Unbekannten, mit Neugier nebst der Bereitschaft, sich Risiken zu stellen.
Jetzt hatte sie zu ihrem ersten Werkstattkonzert geladen, diese kapelle 21, die Zukunft schon im Namen trägt. Im Malsaal der Semperoper-Werkstätten sollte »C’era una volta un pezzo di legno« (zu deutsch »Es war einmal ein Stück Holz«) uraufgeführt werden. Aber man hat es sich nicht so einfach machen wollen, Vorhang auf (es gab gar keinen) und los, mal sehen, was passiert. Nein, die höchst engagierten Musikerinnen und Musiker haben sich Gedanken gemacht, wie solch ein neues Stück Musik dem Publikum am besten nahegebracht werden kann.
Im Beisein des 1961 in Mailand geborenen Komponisten Simone Fontanelli, der sich bereits seit Jahren mit Carlo Collodis »Pinocchio«-Stoff be- und nun eine neue Version verfasst hat, gab es zunächst eine ebenso sinnvolle wie hilfreiche Einführung ins Stück. Dirigent Petr Popelka und Solist Robert Oberaigner an der Solo-Klarinette wechselten sich mit Musik- und Wortzitaten ab, um auf das neue Werk einzustimmen und diese Musik in Passagen vorzustellen, auf dass sie dem Publikum verständlich werde. Wie klingt dieses Stück Holz, als es zu laufen beginnt, was fühlt es, als es von anderen verfolgt wird, wie tönen Esel und Papagei, was macht ein asthmatischer Walfisch und wie kommt man aus dessen Bauch wieder heraus?
So wurde den spürbar interessierten Gästen im Malsaal diese Pinocchio-Adaption sehr unterhaltsam schmackhaft gemacht und ist auch der heute in der Nähe von Collodi (Carlo Lorenzini hat seinen Künstlernamen nach dieser Ortschaft gewählt) in der Toscana lebende Komponist ins Gespräch einbezogen worden. Da wechselte es zwischen Deutsch, Italienisch und Englisch – um letztendlich doch die Weltsprache Musik tönen zu lassen.
Erst nach dieser Hinführung ist »C’era una volta un pezzo di legno« komplett aufgeführt worden. Sie hat die knapp halbstündige Komposition in der Tat verständlicher werden lassen. Die einzelnen Szenen, instrumental kommentiert, wurden plötzlich vor dem inneren Auge nachvollziehbar. Vor allem jedoch bestach diese nie plakativ illustrierende Musik! Da hölzert die Langnase plötzlich los, zwitschern Flöten, Oboe und Saxofon als Fuchs und Kater, Grille und Fee, flattert die Klarinette zwischen Angst und Hoffnung – Streicher und Schlagwerk fördern den Gang der Geschichte, bis zum Schluss … (und wenn sie nicht gestorben sind) alles gut ausgeht.
Diese Uraufführung im Werkstattkonzert am wirklich passenden Ort ist sehr gut auf- und ausgegangen. Fortsetzung erwünscht. Wäre doch gelacht, wenn die kapelle 21 nicht schon bald auch die Dresdner Komponistenszene für sich entdeckt. Potential ist jedenfalls – auf allen Seiten! – vorhanden.