Bei Beethoven hieß es noch: „Sprecht leise! Haltet euch zurück / Wir sind belauscht mit Ohr und Blick.“ Jüngst erst wieder zu hören in der legendären „Fidelio“-Inszenierung von Christine Mielitz (wieder am 4., 8. und 12. Oktober – und möglicherweise auch im Herbst 2019, genau drei Jahrzehnte nach der spektakulären Premiere. Aber Moment mal, legendär und spektakulär, dürfen solche Fremdwörter dann noch verwendet werden? Dresdens Stadtrat, bekanntlich eine Versammlung der Weisen, hat vorigen Freitag (ist das nicht auch schon ein Fremdwort, vgl. dies Veneris, Venerdì, hin zu Frija; nicht zu verwechseln mit Freya?) über das hochheilige Gut der Sprache abgestimmt (um nicht debattiert zu sagen). Um ehrlich zu sein, ging es lediglich um das Genre (!) der sogenannten Verwaltungssprache. „Wir wollen, dass sich jeder Mitarbeiter in der Verwaltung hinterfragt [sic!],“ hieß es aus den Kreisen der kommunalen Sozialdemokratie. Künftig sollen Sätze nicht mehr als 15 Wörter beinhalten, sei eine „einfache Sprache“ gefragt.
Das klingt nur logisch: In einer Stadt, die mit „fremden“ Menschen so fremdelt, es ihnen so gerne so schwer macht, haben auch fremde Wörter nichts zu suchen. „Hinterfragen“ allerdings ist kein Fremd-, sondern ein Unwort. Entweder fragen wir oder wir geben Antwort oder wir schweigen fein still. Aber hinterfragen? Was die Beliebtheit des Wortes angeht, das übrigens erst seit 1973 im Duden gelistet ist, teilt sich Deutschland seltsamerweise in zwei Hälften. Eine populäre Suchmaschine verrät, dass „hinterfragen“ eher in Westdeutschland, in Berlin beliebt ist. Und: in Sachsen. Warum, wäre einmal zu hint… Ach, was.
Bloß gut, dass Dresden Musikstadt ist, die Sprache der Musik ist (Achtung: Fremdwort!) universell, eine Weltsprache also und somit (noch eins!) global. Womit wir wieder bei Beethoven wären, dessen 250. Geburtstag bereits seine Schatten vorauswirft. 2020 wird die Musikwelt ihn sowas von feiern! Geradezu zelebrieren! Bis dahin dürfte sich allmählich abzeichnen, ob die Stadt Dresden, in ihrer Amtssprache dann frei von Fremdwörtern, einen Schritt näher an der Kulturhauptstadt dran ist, die sie ja so gerne sein möchte. Die Augustusbrücke ist dann hoffentlich autofrei, weitere Fahrverbote allerdings soll es nicht geben. Darüber hat der hochweise Stadtrat in selbiger Sprachpolizeischulungssitzung ebenfalls befunden. Wenn auch keine Einigung erzielt wurde, aber das war wohl kaum zu erwarten.
In einer Zeit, da die Bundeswehr verbrannte Erde sogar in der Bundesrepublik hinterlässt, also nicht nur bei Auslandseinsätzen (bloß gut, dass Sachsen keine ausgedehnten Moorlandschaften besitzt), da ist die Frage der Folgen einer Lügenindustrie à la Volks-Wagen & Co. wirklich brisant. Wobei erst noch zu klären wäre, ob Dinge wie Stickoxid unter Dresdens künftige Fremdwörterregelung fallen oder zumindest für sächsische Legastheniker straffrei bleiben könnten. Fest steht zumindest, dass Beethoven – und selbstverständlich auch Wagner! – uneingeschränkt original aufgeführt werden dürfen. Ob das fürderhin auch für die Freunde und Freuden der italienischen Oper gilt, wird in gesonderter Sitzung hinterf… – entschieden.