Zum Saisonstart der Liveübertragungen gibts schon mal einen Klassiker aus dem Repertoire des Royal Ballet in London: »Mayerling« – das Ballett von Kenneth McMillan, seit seiner Londoner Uraufführung im Jahre 1978 ein Dauerbrenner. Die Stars reißen sich um die Titelpartie, diesen Kronprinz Rudolf von Österreich-Ungarn, der am 30. Januar 1898 auf Schloss Mayerling, im vollen Morphiumrausch erst seine minderjährige Geliebte und dann sich selbst erschießt. Rudolf ist in McMillans Ballett kein romantischer Liebhaber sentimentaler Filmästhetik, er ist ein schwermütiger Psychopath, Alkohol und Drogen verfallen, unheilbar erkrankt an der Syphilis.
In der Liveübertragung dieses Balletts am 15. Oktober tanzt kein Geringerer als der australische, in London an der Schule des Royal Ballet ausgebildete Solotänzer Steven McRae die Titelpartie. Für ihn, insbesondere durch die genialen Pas de deux dieser Kreation eine enorme Herausforderung: Immer neuen Körperverschlingungen und -durchdringungen folge eine kühne Hebung nach der anderen. Es gibt Schleuder-, Fang-, Rotations- und Sturzfiguren in einer Rasanz, die einem vom bloßen Zuschauen außer Atem kommen lasse, so der Ballettkritiker Horst Koegler. Hier tanzt auch der Wahn der Einsamkeit inmitten opulenter, höfischer Scheinwelten einer Dynastie, deren Untergang sich ankündigt.
Schon einen Monat später gibt es für die Freunde des klassischen, russischen Balletts einen Höhepunkt: »La Bayadère« zur Musik von Ludwig Minkus führt in die exotische Märchenwelt einer Indienfantasie. Tolle Solorollen für eine Tempeltänzerin und einen edlen Krieger, nicht zu vergessen, das „Goldene Idol“. Dazu der berühmte weiße Akt, »Königreich der Schatten«, ein Höhepunkt für die Tänzerinnen des Corps de ballet. Aus London kann man hier dann die Choreografie von Natalia Makarova sehen, die sich besonders eng an den erhaltenen Aufzeichnungen der Originale von Marius Petipa, bei der Uraufführung, von 1877 in St. Petersburg, hält.
Russisch und märchenhaft aus London wird es dann im Dezember, völlig klar, »Der Nussknacker«, Tschaikowskys letztes Ballett, in einer Fassung von Peter Wright, die sich eng an der Uraufführungschoreografie von Lew Iwanow, 1892 in St. Petersburg, orientiert. In einer sehr eigenen Fassung, in der man dennoch nicht auf die tollen Solopassagen und Pas de deux des Originals von Marius Petipa verzichten muss, gibt es im Februar die Übertragung des Balletts »Don Quixote« des Kubanischen Tänzers und Choreografen Carlos Acosta. Und bevor im Juni die Londoner Ballettsaison im Kino dann mit Sergei Prokofjews Reißer »Romeo und Julia« nach Shakespeares Tragödie, fast genau 80 Jahre nach der Uraufführung dieses Meisterwerkes damals in Brünn, dem heutigen Brno, zu Ende geht, wird es im Mai noch sehr zeitgenössisch: Eine der angesagtesten Choreografinnen der Gegenwart ist Crystal Pite. Ihre Kreation »Flight Pattern« zur Klagelieder-Symphonie von Henryk Górecky gehört zu den zeitgenössischen Meisterwerken. Das gilt auch für Christopher Wheeldons Kreation »Within the Golden Hour«, dieser berührenden „goldenen Stunde“ der sieben Paare, die sich im Licht des Sonnenunterganges trennen und neu finden zur Musik von Antonio Vivaldi und Ezio Bossi.
Und eine Überraschung gibt es mit der noch gar nicht weiter angekündigten Uraufführung von Sidi Larbi Cherkaoi. Auf jeden Fall wird es spannend, mit dem Royal Ballet eine der bedeutendsten Kompanien der internationalen Tanzwelt in so unterschiedlichen Facetten hier sehen zu können. Ästhetische Konkurrenzen zu den großen Kompanien in Dresden, Leipzig oder Chemnitz dürfte es nicht geben; eher eine unbedingt nötige Ergänzung im Hinblick auf die hier immer weniger beachtete Klassik.
Auch Opernfans kommen auf ihre Kosten
Und so wie es die Ballettfans aus aller Welt immer wieder nach London zieht, so auch die der Oper. Da beginnt die Saison der Liveübetragungen, am 28. Oktober, mit Richard Wagners erstem Tag der Tetralogie, »Der Ring des Nibelungen«. In der Londoner Walküre kommen in den Hauptpartien die Stars der Wagnerszene uns auf der Leinwand ganz nahe: Emely Magee und Nina Stemme, Am Pult Antonio Pappano, in einer Inszenierung von Keith Warner: Große Stimmen, große Bilder, großes Opernkino garantiert.
Wenn es schon hier keine Gelegenheit mehr gibt, eine Arbeit des interessanten Regisseurs Stefan Herheim zu erleben, das Kino macht´s möglich: »Pique Dame« von Peter Tschaikowsky, Alexandrs Antonenko und Eva-Maria Westbroek in den Hauptpartien als Hermann und Lisa, eine legendäre Sängerin wie Felicity Palmer in der Rolle der alten Gräfin. Im Januar 2019 kommt diese Produktion als Liveübertragung zu uns. Und auch noch im Januar, Verdis »La Traviata«, das Stück zum Mitsingen, in einer Inszenierung opulenter Bilder von Richard Eyre, mit einem Star wie Placido Domingo, natürlich nicht mehr in der Tenorpartie als Alfredo wie einst, jetzt väterlich, als Giorgo Germont. Und noch mal Verdi im April: »Die Macht des Schicksals«, Christof Loys bildgewaltige Inszenierung aus Amsterdam jetzt aus London; am Pult steht Antonio Pappano, Musikdirektor der Royal Opera. Aber es sind wohl die Sopranistin Anna Netrebko und der Tenor Jonas Kaufmann, die ins Opernkino locken dürften.
Ende April dann Grand Opera nach Goethe von Charles Gounod, aus Paris, in einer Londoner Aufführung, »Faust«. Oper mit Ballett, so wie einst üblich in Paris. Bühnenspektakel ist nicht übertrieben, wie gemacht fürs Kino, diese Inszenierung von Davd McVicar. Und als Gretchen, hier Marguerite, eine der derzeit gefragtesten Sopranistinnen aus Deutschland, Diana Damrau. Den Faust singt der Tenor Michael Fabiano und der Teufel, hier Méphistophélès, ist der Bariton Erwin Schrott. Am Pult Dan Ettinger, bleibt zu hoffen, dass die Kamera auch immer mal einen Blick auf diesen interessanten Dirigenten möglich macht.
Also, da müsste doch was dabei sein, Ballett oder Oper aus London, zu Hause im Kino, in Dresden? Die genannten Termine teilen sich das Cineplex Rundkino und das UCI Kinowelt Elbe Park.