Alle Jahre wieder: Weihnachtsbäume auf den Ballettbühnen, Schneeflöckchen tanzen in weißen Röckchen, bunte Blumen bezaubern im Walzertakt, Tänzerinnen und Tänzer präsentieren in arabischen, chinesischen, russischen oder spanischen Divertissements ihr Können. Nebenbei gibt es auch noch eine knappe Handlung, die daran erinnert dass Tschaikowskys Ballett »Der Nussknacker« sich auf das Kunstmärchen »Nussknacker und Mausekönig« von E.T.A. Hoffmann bezieht. Allerdings nutzte Marius Petipa für Libretto und Choreografie, die Lew Ivanow für die Uraufführung im Dezember 1892 in St. Petersburg zu Ende führte, eine sanftere Fassung des Märchens von Alexandre Dumas, die auf ganze Passagen wie die unheimliche Geschichte der Prinzessin Pirlipat im »Märchen von der harten Nuss« verzichtet.
Christian Spuck verzichtet in seiner choreografischen Inszenierung für das Ballett Zürich und das Junior Ballett weder auf dieses Märchen im Märchen noch auf andere wesentliche Momente des literarischen Meisterwerkes dunkler Romantik und hat gemeinsam mit den Dramaturgen Michael Küster und Claus Spahn eine Fassung kreiert, in der sich die heranwachsende Marie, fasziniert und angeregt vom Spielwerk der mechanischen Figuren in der Werkstatt des Paten Drosselmeier, auf eine Riese in die Wunderwelten voller ungeknackter Nüsse, die mitunter ganz schön hart sind, im Zwischenraum des Überganges von der Kindheit zur aufkeimenden Unsicherheit des jungen Mädchens, begibt. Man muss nicht bis nach Zürich reisen: am 22. Dezember um 20.15 Uhr kann man sich diese Ballettfassung zur besten Sendezeit auf 3sat ansehen.
Ich war zur Zürcher Premiere vor gut einem Jahr total begeistert, nicht zuletzt auch von der musikalischen Leistung der Philharmonia Zürich unter der Leitung von Paul Connelly, den man ja auch in Dresden am Pult der Staatskapelle bei Aufführungen des Semperoper Balletts kennt und schätzt. Und es gibt für Dresdner Ballettfans ein Wiedersehen: die Zürcher Schneekönigin ist Elena Vostrotina.
Und dann beginnt eine wahre Überraschungsserie für die Fans des Balletts und des Tanzes, arte macht´s möglich, es wird getanzt in so gut wie allen Facetten, klassisch und modern, dazu gibt es Dokumentationen, Porträts und eine neue Serie. Es beginnt am 23. Dezember um 16.00 Uhr mit einer Dokumentation über den französischen Choreografen Marius Petipa, mit dem die außergewöhnlichen Erfolge des berühmten Balletts in St. Petersburg, im typischen, russischen Ballettstil, verbunden sind, auf den sich aber bis heute viele Bearbeitungen und choreografische Neuinterpretationen dieser klassischen Ballette beziehen. Aus Anlass des 200. Geburtstages von Petipa, der am 11. März 1818 in Marseille das Licht der Welt erblickte, gab es in diesem Jahr weltweite Ehrungen für den Tänzer, Choreografen und Tanzpädagogen, der 2010 in Gurzuf auf der Krim starb.
Am späteren Abend dann, gewissermaßen zum Ausklang des Petipa-Jahres, um 21.50 Uhr, sendet arte in einer Aufzeichnung vom 28. Mai dieses Jahres, aus dem St. Petersburger Mariinski Theater dessen Choreografie des letzten, 1898 hier uraufgeführten Balletts, »Raymonda« mit der Musik von Alexander Glasunow.
Am Nachmittag des 23. Dezember, um 16.50 Uhr, beginnt ebenfalls auf arte eine fünfteilige Dokureihe über die Schülerinnen und Schüler der Ballettschule der Pariser Oper.
Wer am Heiligen Abend dann noch Muße hat und nicht der Müdigkeit anheim fällt, für den oder die Nachtschwärmer bietet arte ab 00.05 Uhr noch einen Klassiker, natürlich auch nach Petipa, aber hier sicher doch etwas anders, nämlich Tschaikowskys »Schwanensee« vom Ballett am Rhein aus Düsseldorf. Martin Schläpfers Fassung ist kein Traum in Weiß, eher eine etwas düstere und bedrückende Angelegenheit, seine „Familienaufstellung“ treffe mitten ins „Schwarze Herz“, so die Kritikerin Sandra Luzina nach der Premiere im Juni im Berliner Tagesspiegel.
Und dann, wieder für die Nachtschwärmerinnen und Schwärmer, ein Ballett, bei dem ich immer wieder ins Schwärmen komme, »Onegin« von Jahn Cranko, natürlich mit dem Stuttgarter Ballett, wo 1965 die Uraufführung stattfand zur Musik von Tschaikowsky, aber mit keiner Note aus der Oper »Eugen Onegin«. Damals tanzte Marcia Haydée die Partie der Tatjana, mit jenen wunderbaren Pas deux´s. Auf arte wird Crankos Ballett am 30. Dezember um 00.40 Uhr gesendet, mit Alicia Amatriain als Tatjana und Friedmann Vogel als Onegin, da lohnt es schon aufzubleiben.
Getanzt wird auch in der Gala zum Beginn der Feierlichkeiten zum 350jährigen Jubiläum der Pariser Oper, am Silvesterabend 2018 ab 22.35 Uhr auf arte. Da die Sendung dann bis in die ersten Stunden des neuen Jahres geht dürfte es wohl so sein, dass man zum Tanz anstoßen kann. Es gibt nämlich zum Abschluss der Gala den dritten Akt aus Prokofjews Ballett »Cinderella«, hier natürlich »Cendrillon« in der Choreografie von Rudolf Nurejew.
Und auch im Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, am ersten Tag des neuen Jahres, direkt übertragen, ab 11.15 Uhr, im ZDF, diesmal unter der Leitung von Christian Thielemann, wird getanzt. Nicht live, sondern wie hier üblich in vorproduzierten Aufnahmen. Interessant allerdings, dass mit Andrej Kaidanowkij für die Choreografien mit dem Wieder Staatsballett ein Vertreter der jungen Generation beauftragt wurde, der bislang durch streitbare, höchst zeitgenössische Arbeiten auf sich aufmerksam macht. Kaidanowkij, der gern betont, dass für ihn Ballett nichts mit Tutu und Spitzenschuh zu tun habe, machte zuletzt mit Arbeiten für das Bayerische Staatsballett in München und vor allem letzten Sommer beim Ballett des Prager Nationaltheaters mit einer höchst politisch motivierten Arbeit im Rahmen des Abends »Slawisches Temperament« auf sich aufmerksam.
Am späteren Abend werden dann ab 22.50 Uhr auf arte vier Choreografen der Pariser Oper vorgestellt: James Thierrée, Hofesh Shechter, Iván Pérez und Crystal Pite. In Dresden, von Gastspielen in Hellerau oder als Choreograf beim Semperoper Ballett, kennt man bislang nur Shechter. Leider wird man darauf evtl. sagen, denn die Begegnungen mit den anderen, vor allem mit Crystal Pite, dürften mehr als nur interessant sein, jedenfalls nach meinen bisherigen Erfahrungen. Am ersten Tag des neuen Jahres gibt es ebenfalls auf arte ab 19.40 Uhr eine kritische Reportage über existenzielle Probleme von Tänzerinnen und Tänzern, die dennoch nicht aufgeben: „Die Aschenputtel-Ballerinas – Das Nationalballett Kosovo tanzt ums Überleben“.
Und wer das Ballett und den Tanz auf der ganz großen Leinwand liebt, das Ballett im Kino, dem sei schon ganz besonders mal der Start des Films »Yuli« von Icíar Bollaín am 17. Januar herzlich empfohlen. Yuli, der Junge aus einfachen Verhätnissen in Havanna, heißt ja eigentlich Carlos, aber sein Vater nennt ihn nach dem afrikanischen Kriegsgott und erkennt sein Talent. Carlos kann tanzen. Für den Vater keine Frage, Yuli muss tanzen, damit er Kuba verlassen kann. Wer sich etwas auskennt weiß, dass es hier um den kubanischen Tänzer und Choreografen Carlos Acosta geht. Er wird Tänzer, einer der bedeutendsten am Royal Ballet, und nach harten Widerständen der erste dunkelhäutige Romeo in der Londoner Choreografie von Kenneth McMillan. Der Film folgt der Autobiografie von Carlos Acosta, »Kein Weg zurück – Die Geschichte eines Kubanischen Tänzers«. Acosta ist selbst als Tänzer in diesem Film zu erleben und zur nächsten Liveübertragung auch in Dresdner Kinos, vom Royal Ballet aus London, gibt es, am 19. Februar, »Don Quixote« von Ludwig Minkus, in der Choreografie von Carlos Acosta nach Marius Petipa. Wie Acosta selbst die Rolle des Basil tanzte kann man in einer Aufnahme aus London von 2013 sehen, die als DVD erschienen ist, seine Partnerin als Kitri ist Marianela Nunez, sie tanzt auch am 19. Februar in London.
Also das Jahr geht zu Ende, festlich, mit viel Ballett und Tanz, das neue Jahr beginnt, der Tanz geht weiter.
22.12., 3sat,
20.15 Uhr, Nussknacker und Mausekönig, Ballett Zürich
23.12., arte,
16.00 Uhr, Marius Petipa, Meister des klassischen Balletts, Doku
16.50 Uhr, Beginn einer fünfteiligen Dokureihe über die Tanzschülerinnen und Schüler der Ballettschule der Pariser Oper
21.50 Uhr, Ballets Russes im Mariisnki-Theater St. Petersburg
„Raymonda“ – das Spätwerk des französischen Choreografen Marius Petipa in einer Aufzeichnung am Ort der Uraufführung, vom 28. Mai 2018
24.12., arte
00.05 Uhr, „Schwanensee“ in einer Aufführung vom Ballett am Rhein aus Düsseldorf
30.12., arte
00.40 Uhr, „Onegin“ von John Cranko, Stuttgarter Ballett
31.12., arte
22.35 Uhr, 350 Jahre Pariser Oper, die Gala zum Auftakt der Feierlichkeiten; Ballett: 3 Akt aus „Cenerentola“ von Rudolf Nurejew
01.01., ZDF
11.15 Uhr, Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, Christian Thielemann
Wiener Staatsballett, Andrey Kaydanowskiy
22.50 Uhr arte
Vier Choreografen der Pariser Oper, James Thierrée, Hofesh Schechter, Iván Pérez, Crystal Pite
02.01., arte
19.40 Uhr, Reportage „Die Aschenputtel-Ballerinas – Das Nationalballett Kosovo tanzt ums Überleben“
Ab 17. Januar in den Kinos: Carlos Acosta
19. Februar, live aus London, Royal Ballet, „Don Quixote“ mit den Originalchoreografien von Marius Petipa von Carlos Acosta