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Klangkultur, nicht zu empfehlen

Es ist doch zu schade, dass das jüngste Konzert der Dresdner Philharmonie an dieser Stelle nicht empfohlen werden kann. Da befanden sich Carl Maria von Webers Klarinettenkonzert Nr. 1 f-Moll und die 14. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch auf dem Programm, der Konzertsaal im Kulturpalast war nahezu ausverkauft, dem Chefdirigenten Michael Sanderling standen neben seinem Orchester namhafte Solisten zur Seite. Und all dies soll nicht zu empfehlen sein? Zu schade …

Vor der Pause gab’s Weber, Weber vom Feinsten. Wer mit dessen teils doch arg abenteuerlich romantisierenden Opern nicht allzu viel anzufangen weiß, müsste sich in den lyrischen Solokonzerten doch wohlfühlen dürfen. Zumal mit einem Solisten wie Andreas Ottensamer, der einerseits frisch und nahezu frech anzutreten vermag, andererseits innig und ehrlich aufzuspielen versteht. Seine Virtuosität ist nie Selbstzweck, wird in keinem Moment zur Schau gestellt, sondern scheint ganz im Dienst der Musik zu stehen. Makelloser Ansatz, feinstens dosierte Dynamik, wandelbarer Glanz im Ton – so weht Weber ganz und gar heutig aus seiner verinnerlichten Poetik in die Moderne des Saals mitsamt seiner hüstelnden Gemeinschaft, die sich immerhin in den innigsten Takten taktvoll genug erweist (oder vom Geist der Musik dazu gezwungen wird?), den Atem anzuhalten und sich dem unwiderstehlichen Klangrausch dieser Klarinette vollkommen hinzugeben.

Michael Sanderling dirigierte dieses Bravourstück gewohnt umsichtig, ja inspirierend, und erzeugte in der kleinen Orchesterbesetzung eine Klangkultur, die in gewisser Hinsicht überzeugender als bei jeder Beethoven-, Bruckner- und/oder Brahms-Sinfonie gelang. Das Zusammenspiel der Musikerinnen und Musiker mit dem Solisten war voller Sternenstündchen, stets fein dosiert, im Allegretto des 3. Satzes vielleicht etwas zu wahnwitzig schnell angegangen (man wollte wohl zeigen, was man so drauf hat), doch insgesamt ausgewogen und geradezu delikat. Wie die Klangfäden aufgenommen und weitergesponnen wurden, zu einem Ganzen gewebt worden sind, das war reinste Poesie. Andreas Ottensamer wurde daraufhin derartig bejubelt, dass er ein kleines ungarisches Volkslied als ebenso kurze wie skurrile Zugabe nachlegte.

Nach der Pause donnerte dann eine gänzlich andere Kost durch den Saal (der vorsichtshalber mit der flehentlichen Anzeige versehen wurde, dass wegen einer CD-Aufnahme um größtmögliche Ruhe gebeten wird, was nochmals ein kollektives Hüsteln und Schnauben zur Folge hatte). Die 14. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch ist ein Abgesang auf die barbarische Menschheit, die unter nichts anderem so sehr leidet wie unter ihren eigenen Taten. Untaten also, die Schostakowitsch Anfang 1969 im Blick auf das blutgetränkte 20. Jahrhundert bilanziert hat. Er konnte nicht ahnen, wie wenig die Nachgeborenen darauf zu lernen und sich zu ändern im Stande sind …

Zu Texten von Federico García Lorca, Guillaume Apollinaire, Wilhelm Küchelbecker und Rainer Maria Rilke schuf der Großmeister der psychologisch so feinsinnig illustrierenden Sinfonik ein Schauderwerk menschlicher Abgründe, die den spanischen Bürgerkrieg ebenso wie die Tyrannei der Todeslager in Bezug zu persönlichen Schicksalen gesetzt haben. Denn darum geht es in jedem einzelnen Fall, um persönliche Schicksale, um einzigartiges Leben.

Diese Vokalsinfonie vervollständigt die Gesamtaufnahme von Michael Sanderlings Schostakowitsch-Edition mit der Philharmonie und dürfte sich glänzend in die bisher vorliegenden Einspielungen fügen – zumindest wenn es den Tonmeistern gelingt, die asthmatische Saalatmosphäre auf dem wuchtigen Klangzauber des nur von Schlagwerk begleiteten Streichorchesters zu filtern. Geradezu dramatisch haben die Musikerinnen und Musiker hier ein klingendes Denkmal interpretiert, aus dem die Sopranistin Polina Pastirchak und der Bass Dimitry Ivashchenko eindringlich zu Herzen gehende Gesangsparts lieferten.

An dieser Stelle noch einmal: Zu schade, dass dieses Konzert nicht zu empfehlen ist. Es wird sich seine sonntägliche Einmaligkeit bewahren und leider nicht wiederholt werden. Doch es gibt mehr als nur einen Trost: Erstens wird der Schostakowitsch, wie erwähnt, schon bald auf CD nachhörbar sein, zweitens folgt noch in dieser Woche ein Werkstattkonzert mit der 2. und 3. Sinfonie dieses Komponisten und einer Lesung aus dem biografischen Roman »Der Lärm der Zeit« von Julian Barnes, gelesen von Lukas Rüppel, und drittens erklingt im Gedenkkonzert der Philharmonie am 13. Februar die 15. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch. All dies unter der überzeugenden Leitung des Sachwalters Michael Sanderling. Wenn das keine Empfehlung ist!

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