Mirjana Rajić, Sie sind Initiatorin und Leiterin des neuen »Internationalen Carl Maria von Weber Wettbewerbs für Junge Pianisten«, welcher am Sächsischen Landesgymnasium für Musik vom 24.-28. April stattfinden wird, und arbeiten nun schon seit Monaten an der Vorbereitung. Ich höre schon die ersten Dresdner Pianisten-Eltern aufstöhnen: noch ein Wettbewerb für den Filius! Sind Wettbewerbe in dieser frühen Phase der Ausbildung wirklich schon nötig?
Ich finde es sehr wichtig, dass sich junge Pianisten von Anfang an mit anderen messen. Ich komme aus einem Land, wo es sehr viele Wettbewerbe in dieser Altersgruppe gibt: regionale, nationale, internationale. Und das motiviert unheimlich. Wir Schüler haben uns damals auch gegenseitig motiviert. Es ist dann eine ganz andere Art zu üben, viel zielgerichteter und intensiver als nur für eine Prüfung. Und in der Arbeit mit meinen Schülern am Landesmusikgymnasium habe ich gemerkt, dass in Dresden so etwas fehlt. Es gibt ja die »Jugend musiziert«-Ausscheide in den Kategorien Solo, Duo, Ensemble. Aber das ist nicht ausreichend. Die Kategorie Solo-Klavier gibt es nur alle drei Jahre – und ich merke dann auch bei den Schülern, dass sie ganz anders üben, sich anders vorbereiten, als wenn es nur zweimal im Jahr eine Prüfung gibt. Ich versuche übrigens auch viel mehr Vorspiele zu organisieren weil man von Anfang an die Erfahrungen auf der Bühne machen muss. Das prägt einen jungen Pianisten sehr und so steigt auch die Qualität, die Übemotivation und das generelle Niveau wird höher.
In Deutschland heißt es immer, Musik soll vor allem Spaß machen.
Ja, ich will nicht zu kritisch werden, aber diese Forderung, die Kinder sollten sich bitte nicht anstrengen. Es macht doch keinen Spaß, wenn man nicht regelmäßig übt und auch gewisse Anforderungen hat! Mit solchen Wettbewerben motivieren sich die Schüler besser und nehmen alles ernster. Natürlich kann man in diesem Alter noch nicht wissen, ob man später Profi wird. Aber das Feuer wird schon entzündet. Ein Wettbewerb ist eine Erfahrung, die man in der musikalischen Ausbildung von Anfang an machen muss.
Auf welchem Niveau werden sich die Teilnehmer bewegen? Welche Anforderungen gilt es zu erfüllen?
Die Teilnehmer sollen mindestens vier Werke in jeder Altersgruppe spielen. Wir haben versucht, die Zeiten der einzelnen Altersgruppen nicht zu lang zu machen aber das Programm soll schon Anspruch haben. Wir haben in jeder Kategorie mehrere Vorschläge, sowohl für die Werke von Carl Maria von Weber, als auch für die Etüden gegeben, damit es klar ist auf welchem Schwierigkeitsgrad das Programm sein soll. Absichtlich haben wir auf die Vorrunde (Audio- und Videoaufnahme) verzichtet, werden aber aufgrund des Programms und der Biografie der Bewerber eine Auswahl machen können.
Ein Wettbewerb hat natürlich auch eine „sportliche“ Seite in sich. Und das ist meiner Meinung nach die negative Seite. Aber so ein Wettbewerb ist ja nicht nur Sport. Es gibt diese wunderbare Seite, wo sich die jungen Musiker treffen, sich vergleichen und voneinander lernen können. So entstehen auch Freundschaften, und man kann auch mal schauen, wo man eigentlich pianistisch steht. Vielleicht ist das eine zusätzliche Motivation, sich mehr anzustrengen, besser zu üben? Der Horizont der Pianisten soll erweitert werden. Wenn die Schüler die gleichaltrigen jungen Pianisten aus anderen Städten und Länder hören, können sie sich besser einordnen. Ich denke, dass kann ein Kind sehr motivieren.
Wenn wir von internationalem Vergleich sprechen: da werden die Dresdner Teilnehmer teilweise mit den Ohren schlackern, oder?
Das werden wir sehen. In manchen Ländern ist die Ausbildung oft strenger und intensiver, in vergleichbarem Alter sind die Schüler manchmal dann schon weiter, was die Technik, aber auch die Erfahrung mit solchen Ausscheiden angeht. Aber ich denke, dass die Dresdner Teilnehmer sehr gut mithalten werden können. Wir haben sehr viel Werbung gemacht an Spezialschulen, Hochschulen, Konservatorien und an den Partnerschulen in Europa, aber auch bei vielen Schulen weltweit, wo ich weiß, dass das Niveau gut ist. Die Einsendungen tröpfeln noch etwas, aber zum Ende der Bewerbungsfrist hoffe ich auf ausreichend Bewerber.
Eine Hürde für die Bewerber dürfte das Repertoire sein: Sie haben Carl Maria von Weber aufs Programm gesetzt.
Wir haben uns das überlegt, weil jeder Wettbewerb ein eigenes Profil haben sollte. Was könnten wir hier machen, dass es mit Dresden, mit dem Landesmusikgymnasium und der Hochschule verbunden ist? Erstmal ist Weber natürlich der Namensgeber des Landesmusikgymnasiums und der Hochschule. Er hat wunderbare Klaviermusik geschrieben, die leider im Gegensatz zu seinen Opern im Schatten steht. Man kennt „Aufforderung zum Tanz“ und ein paar andere Werke aber es gibt viele Werke, die weniger bekannt sind. Von der Internationalen Carl-Maria-von-Weber-Gesellschaft haben wir das gesamte Klavierwerk bekommen und entdeckt, was für wunderbare Werke es gerade für kleine Pianisten gibt. Wir haben dann nach Schwierigkeitsgrad geteilt und den Bewerbern ausreichend Auswahl gelassen. Das wird aber nur ein Repertoireteil sein; der Rest ist Standardrepertoire. Zuerst ist eine virtuose Etüde Pflicht; da hört man auch den technischen Stand und dann sind zwei Werke freigestellt aus unterschiedlichen Stilepochen. Ein Weber-Stück muss man aber meistens neu erlernen, das stimmt. In der dritten und vierten Kategorie sind dann noch ein barockes Werk und eine klassische Sonate zu spielen, das finde ich auch wichtig. Professor Winfried Apel sagte immer: „da ist man nackt, da kann man sich nicht verstecken.“
Musikwettbewerben schlägt schon länger ein gewisses Misstrauen entgegen. Zu oft ist es passiert, dass befreundete Juroren gegenseitig ihre Schüler „hochvoten“ und die Preise dann unter den üblichen Verdächtigen vergeben werden. Wie wollen Sie so etwas verhindern?
Ich habe das tatsächlich erlebt, dass so etwas passiert. Schüler von Juroren haben oft die besseren Punkte bekommen. Nein, Gerechtigkeit muss sein! Klar, Kunst ist nicht Mathematik, Geschmack spielt eine Rolle. Grundsätzliche Aspekte: Interpretation, Musikalität, Stilistik, die Linie, technisches Niveau, überhaupt die Eigeninitiative, den eigenen Stempel muss man hören. Meistens ist es ja den Juroren klar in den Wettbewerben, dass ein Schüler eines Mit-Jurors spielt. Wir haben deshalb versucht Juroren einzuladen, die sich nicht unbedingt kennen und immer wieder zusammensitzen, sondern aus unterschiedlichen Ländern, aus unterschiedlichen Schulen stammen. Und bei unserem Wettbewerb werden Jurymitglieder die Teilnehmer, welche sie in den letzten Zwei Jahren unterrichtet haben, nicht bewerten dürfen.
Was ist mit dem Vorwurf, bei solchen Wettbewerben würden immer die stromlinienförmigsten Pianisten gewinnen, die mit ihrer Interpretation möglichst keinen Anlass bieten, anzuecken?
Unsere Juroren sind fast alle Pädagogen, fast alle sind Professoren, und alle sind sehr gute Musiker. Ich bin sicher, dass am Ende derjenige siegen wird, der musikalisch eine starke Persönlichkeit zeigt. Und natürlich muss das mit guter Technik verbunden sein. Ohne Technik kann man eine Interpretation gar nicht rüberbringen. Natürlich gibt es diese perfekten jungen Pianisten, die kaum einen eigenen Stempel einbringen… Man muss einfach abwarten. Jetzt hoffe ich erst einmal, dass wir überhaupt eine große Auswahl Bewerber haben! Ich bin parallel zur Bewerbungszeit noch auf der Suche und hoffe, dass es mir gelingt, Gastfamilien zu finden, die die Teilnehmer aufnehmen können, damit sie nicht noch das Hotel zahlen müssen.
Überhaupt, wie viele Dresdner werden Sie neugierig auf die Teilnahme machen können?
Ich versuche, drei bis vier eigene Schüler vorzubereiten. Bis zwanzig Jahre gibt es ja nicht so viele Wettbewerbe, die auch vom Alter so kleinteilig sind, damit man fair abwägen kann. Ich habe auch an der Hochschule Werbung gemacht, und ein paar Bewerbungen haben wir schon. Warten wir mal ab.
Wie haben Sie es eigentlich geschafft, den Wettbewerb finanziell aufzustellen?
Als ich die Idee der künstlerischen Leiterin des Landesmusikgymnasiums, Frau Sapega-Klein und dem Oberstudiendirektor, Herrn Zecher vorstellte, habe ich volle Unterstützung bekommen und dafür bin ich sehr dankbar. Die Personal- und Sachkosten werden aus dem Haushalt des Landesmusikgymnasiums finanziert. Nur das Geld für die Preise musste separat gefunden werden. Mit der Sponsorensuche hatte ich zwar nicht viel Erfahrung, aber ich habe einfach angefangen. Ich habe Stiftungen, Banken, Klavierhäuser usw. angeschrieben. Und erstaunlicherweise habe ich über 21.000 EUR in dieser kurzen Zeit, seit nicht mal einem Jahr, gesammelt! Von der Carl Bechstein Stiftung, August Förster, Bösendorfer, der Stiftung für Kunst und Musik Dresden, der Ostsächsische Sparkasse Dresden, Rotary Club Dresden-Goldener Reiter, Klavierhaus Weber, Dresdner Pianosalon Kirsten, der Internationalen Carl Maria von Weber Gesellschaft, auch von der Druckerei Thieme und vom Freundeskreis des Sächsischen Landesgymnasiums für Musik kommt Unterstützung. Das ist ein großer Vertrauensvorschuss. Die Teilnehmer kommen nicht nur für das Geld, aber es ist eine zusätzliche Motivation. Dir ersten Preise sind zwischen 1.000€ und 4.000€, das ist schon sehr viel für junge Pianisten. Es gibt darüber hinaus einen Sonderpreis von der Internationalen Carl-Maria-von-Weber-Gesellschaft, speziell für Weber-Werke. Ich betone dann auch, dass das Geld für Meisterkurse, für Instrumente, für Noten usw. benutzt werden soll.
Und auch Konzerte können die Preisträger gewinnen!
Ja, der Intendant der Dresdner Musikfestspielen Jan Vogler hat uns auch sein Vertrauen geschenkt. Das Preisträgerkonzert wird am 7. Juni im Konzertsaal der Hochschule für Musik im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele stattfinden. Das Abschlusskonzert werden die Preisträger im Carl-Maria-von-Weber-Museum spielen. Von den älteren Kategorien wird ein Preisträger zur Akademie nach Moritzburg und zu einem Meisterkurs im Rahmen der Dresdner Meisterkurse Musik eingeladen. Dazu gibt es weitere Konzertmöglichkeiten für die Preisträger, u.a. ein Konzert mit den Dresdner Kapellsolisten unter der Leitung von Helmut Branny. Ich habe nach Möglichkeiten gesucht, dass es nicht nur Geld gibt, sondern auch viele Auftritte. Das ist das Wichtigste für die jungen Pianisten. Wenn die Klavierschüler das in dem Alter erleben, habe ich die Hoffnung, dass sie dabeibleiben, dass ihnen solche Auftritte fürs Leben in Erinnerung bleiben und dass der Wettbewerb dabei ein Meilenstein für sie sein wird.
So könnte der Wettbewerb vielleicht langfristig einige Klavierschüler verleiten, eine professionelle Karriere einzuschlagen?
Leider entscheiden sich immer weniger deutsche Studenten für ein Klavierstudium. Die Perspektive sieht nicht so rosig aus. Feste Stellen werden immer weniger und auf Konzertreisen gehen nur wenige. Viele entscheiden sich mit Vernunft entweder für Schulmusik oder für fachlich etwas ganz anderes. Ich finde das schade, aber ich verstehe es natürlich. Ein sicheres Boot ist das Klavierstudium nicht. Aber immer wenn man für etwas brennt, darf das Einkommen nicht an erster Stelle sein. Ich bin sicher, wenn man etwas mit Herzblut macht, findet man seinen Platz in der Musikwelt. Wenn man also in diesem jungen Alter die Konzertatmosphäre spürt, Bühnenluft atmet, vielleicht entscheiden sich dann doch einige für ein Klavierstudium? Das wäre toll.
Vielen Dank für das Gespräch!