Daniil Trifonov: leidenschaftlich wild, aber kontrolliert bis in die letzte Note. Grigori Sokolow: minutiös ausbalanciert, nie zu laut. Martha Argerich in ihren Mittfünfzigern: in herrlich dahinbrausender Erregung, singt sie die leisen Passagen wie ein Liebeslied. Yuja Wang: schönes Kleid. Andras Schiff: nobel, durchdacht, beherrscht und hörbar mit einem leisen Lächeln auf den Lippen. Alfred Cortot, 1935: farbig, dahinsprudelnd, organisch wachsen die Luftwurzeln und schlingen sich um unsere Ohren.
Und, natürlich, Hélène Grimaud. Achtzehnjährig spielt sie das Werk ein, es beginnt unter ihren Fingern zu leuchten, zu pulsieren, die stolzen Passagen drehen sich galant im Kreis, die Kleider fliegen; wie ein Eiskristallregen klickert das Intermezzo…
Nun also live in der Semperoper, vor einem konzentriert lauschenden Publikum, das die erste Programmhälfte atemlos und ohne einen störenden Zwischenklatscher verfolgt hatte. Hier war Silvestrov in Debussy in Satie in Chopin geflossen, die Komponisten hatten sich sacht die Hände gereicht, die Reihenfolge austariert, die Zeit floss lapislazulifarben dahin, jedes Stück schien ein weiterer hintersinniger Kommentar zum selben Thema zu werden. Und dann, nach der Pause? Endlich, endlich. Robert Schumanns »Kreisleriana« – Fantasien für Klavier op. 16. Doch halt! Das war keine süße, „wilde Liebe“, wie der Komponist an seine Verlobte schrieb, „Dein Leben und meines und manche Deiner Blicke.“ Das war ein wilder, wütender Strom, krapprot und unkontrolliert brausend. Der Steinway bebte, die unteren Register dröhnten und schwollen mehr und mehr an. Kein Genuss, nur Schmerz.
Das Publikum raste und forderte Zugaben, drei bekam es, schnell und laut.