Offenbar kommt dieses Jahr kaum eine Kultureinrichtung in Dresden um die sogenannte Fürstenhochzeit von 1719 herum. Da überschlagen sich die Museen, steuerteuer Prunk und Popanz wie anno dunnemals zu zelebrieren. Und nicht nur die Schlagzeilen der Tageszeitungen jubeln von der „Jahrhunderthochzeit“ und greifen kritiklos auf, was da in die Säle, in den Zwinger, auf die Elbe gestellt wird und noch werden soll.
Na klar, wer heutzutage noch von „Residenzstadt“ spricht, als hätte es das Jahr 1919 nie gegeben, der kniet auch 300 Jahre nach der aus machtpolitischen Gründen arrangierten Hochzeit zwischen Maria Josepha Benedikta Antonia Theresia Xaveria Phillippine von Österreich und Friedrich August II. (der ein paar Jahre später als Friedrich August III. den König von Polen geben sollte) noch nieder. Dieser Ruf findet im sogenannten Freistaat noch immer kräftig Widerhall.
Eigentlich wurden die beiden Fürstenkinder ja am 20. August 1719 in Wien verehelicht, wo die Eltern von Maria Josepha Benedikta, also der Braut, zu Hause gewesen sind. Mutter und Vater gehörten den Habsburgern an. Gefeiert wurde dieses österreichisch-sächsische Machtbündnis dann aber in Dresden, fast den gesamten September über.
Aus dem damaligen Hochzeitsmonat wird im traditionshörigen Sachsen – dem Marketing sei’s geschuldet – nun ein ganzes Festjahr. Doch aus dem wonneseligen Reigen an Ausstellungen und Umzüge, Feuerwerken und Kostümfesten nebst Bootskorso und erhofftem Fremdenverkehr unter der sogenannten Dachmarke »300 Jahre Fürstenhochzeit« sticht ein Punkt heraus, der mal nicht nur das fragwürdige Adelsfest öffentlich feiert, sondern dessen musikalische Seiten betrachtet. In der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB) wurde dieser Tage pünktlich zum Datum der Wiener Trauung von Josi und Fritze August die Ausstellung »Macht Mittel Musik« eröffnet.
Und auch aus den wortreichen Darreichungen zur gut besuchten Vernissage stach dank der nicht unkritischen Rede von Sachsens Kunstministerin Eva-Maria Stange wohltuende Wachheit hervor. Sie machte deutlich, dass es bei dieser Liaison keineswegs um Liebe gegangen sein dürfte, sondern vielmehr um die Gier von Vater August. Der wollte die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches, um damit zu glänzen. Die schiere Eitelkeit, gepaart mit einer geradezu unappetitlichen Machtgeilheit, ließ ihn zum Initiator jenes pompösen Festes werden, zu dem alle europäischen Adelshäuser geladen wurden, auf dass sie sich blenden ließen von Tafelsilber und Bratenfett.
Frau Stange verwies hingegen ganz nüchtern auf den Umstand, dass heutzutage bei Wahlen über Machtfragen entschieden würde – damals brauchte es halt ein Hochzeitsarrangement. Sie stellte auch die Frage in den Raum, wie sich ein Potentat im Geiste von August von heute verhalten würde (nun, da liefert der Twitter-König hinterm Großen Teich tagtäglich wohl schlechteste Beispiele).
Die Ministerin wies ganz diplomatisch auch darauf hin, dass bei der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin (ITB) ganz Sachsen die Industriekultur bewarb, nur eben Dresden nicht. Hier galt und gilt es in nachhaltig devoter Weise den Fürschten. Oder den Biedenköpfen, wäre hintanzufügen. Merke: Wer „Landeseltern“ braucht, sollte seine demokratische Reife mal prüfen lassen!
Aber zurück zur Musik in Dresden im Jahr 1719. Von der Fanfare bis zur großen Oper wurde seinerzeit alles aufgefahren, um die Augusteische Macht zu zelebrieren. Insofern sei dieser Blick in die Vergangenheit laut Stange auch deswegen vonnöten, „weil wir das heute nicht mehr so wollen“. Sie verwies vor insbesondere darauf, dass die für das Adelsgelage nötigen Gelder nicht etwa vom Kurfürstenhof, sondern in den sächsischen Bergwerken erarbeitet worden sind. „Jeder Rechnungshof würde sich heute umdrehen“, so die Demokratin, die zudem erwähnte, dass Bettler seinerzeit der Stadt verwiesen worden sind und, um das Gesamtbild noch mehr aufzuhübschen (oder um den Blick beizeiten zu trüben?), ein recht freizügiger Alkoholausschank praktiziert worden sei.
Was den Gedanken nahegelegt hätte, zur Ausstellungseröffnung neben Sächsischem Sauren auch Grünen Veltliner aufzufahren. Statt dessen jedoch gab es Eierschecke und Sachertorte.
Und nun – bis Mitte Januar 2020 – die Ausstellung »Macht Mittel Musik«, deren Titel in verschiedenster Weise gelesen werden kann. Da alle Abläufe des bombastischen Festes, eben von den Rezepten bis zu den Noten schriftlich festgehalten worden und heutzutage in Archiven digitalisiert worden sind, konnten sich die drei Kuratorinnen und ein Kurator auf bestens erschlossenes Quellenmaterial stützen. Die eigentlichen Wurzeln des Dresdner Musiklebens sind zwar noch ein erhebliches Stück älter und sollten mindestens bei Heinrich Schütz angesiedelt werden, doch eine beträchtliche Menge Musik in Dresden ist tatsächlich für die großspurige „Jahrhunderthochzeit“ komponiert worden. Im Buchmuseum der SLUB gibt es nun die Chance, sich auf deren Spuren zu begeben. Obendrein erschließt sich auch die europäische Dimension dieser Vermählung, die ansonsten in den Zelebritäten der Dreihundertjahrfeier ziemlich vernachlässigt wird.
Begleitprogramm
6. September, 16 Uhr – Großer Garten, Palais „Kaiserschmarrn“ – Bürgerfest
mit Musik, Kleinkunst, barocken Tänzen, Gastronomie und Ausstellung zum Venusfest im Großen Garten 1719
26. September 2019, 19 Uhr – SLUB Talleyrandzimmer Quellenpräsentation
Prof. Dr. Gerhard Poppe: Musikmanuskripte aus dem Umkreis der Kurprinzenhochzeit
24. Oktober 2019, 19.30 Uhr – SLUB Klemperersaal Kammermusik aus dem Umfeld
der Kurprinzenhochzeit; Konzert mit Solisten des Dresdner Barockorchesters
Filmreihe – Sachsens Glanz und Preußens Gloria in Kooperation mit dem Verkehrsmuseum Dresden
13. November 2019, 19 Uhr – SLUB Klemperersaal Sachsens Glanz und Preußens Gloria – I und II
14. November 2019, 19 Uhr – Verkehrsmuseum Dresden Sachsens Glanz und Preußens Gloria – III und IV
15. November 2019, 19 Uhr – SLUB Klemperersaal Sachsens Glanz und Preußens Gloria – V und VI
5. Dezember 2019, 19 Uhr – SLUB Klemperersaal Vortrag
Prof. Dr. Winfried Müller: Dresdens Glanz und Habsburgs Gloria – Zur Karriere der kursächsischen Residenzstadt im 18. Jahrhundert
16. Januar 2020, 19 Uhr – SLUB Klemperersaal Finissage mit Vortrag
Dr. Ulrich Rosseaux: Die Kurprinzenhochzeit 1719 als urbanes Ereignis
Alle Veranstaltungen in der SLUB mit freiem Eintritt und late-night-Führungen durch die Ausstellung