Wenn er sich am Telefon mit seinem Namen meldet, glaubt man ihm sein hohes Alter kaum, wenn man vor ihm steht, erst recht nicht – Hans-Dieter Pflüger, der langjährige Chordirektor der Sächsischen Staatsoper Dresden, damals auch Staatstheater Dresden, feierte am Donnerstag in Dresden seinen 90. Geburtstag bei bester Gesundheit, im Kreis von Familie, Freunden, ehemaligen Kollegen und natürlich mit einem Geburtstagsständchen von Mitgliedern des Staatsopernchores.
Pflüger begann seine berufliche Tätigkeit als Pianist an der Dresdner Palucca-Schule, bevor er 1952 als zunächst stellvertretender und später Chordirektor an die Staatstheater kam, denen er 42 Jahre lang treu blieb und deren Ehrenmitglied er heute ist. In dieser Zeit lenkte er die Geschicke des Staatsopernchores in der Nachfolge von Ernst Hintze, Gerhard Wüstner und Franz-Peter Müller-Sybel und führte ihn zu maßgeblichen künstlerischen Leistungen. Souverän leitete er die musikalischen Proben vom Soloquartett über Stimmgruppe bis zum Gesamtchor als Chordirigent und oft selbst vom Klavier aus, wenn kein Korrepetitor zur Verfügung stand. An den Tasten sitzt er auch heute noch nahezu täglich.
Naturgemäß arbeitete er in Oper und Konzert mit zahlreichen Dirigenten, etwa Herbert Blomstedt, Sir Colin Davis, Hartmut Haenchen, Siegfried Kurz, Rudolf Neuhaus und Regisseuren wie Ruth Berghaus, Joachim Herz, Harry Kupfer, Christine Mielitz und Wolfgang Wagner zusammen, wobei diese Auflistung selbstverständlich unvollständig ist. Als wichtigsten Höhepunkt seiner Tätigkeit kann man sicher die Einweihung der wiedererrichteten Semperoper 1985 bezeichnen. Bei den Eröffnungspremieren »Der Freischütz« und »Der Rosenkavalier« und ebenso bei der aus gleichem Anlass erfolgten Uraufführung von Siegfried Matthus‘ »Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke« nebst dem vorangestellten, dem Staatsopernchor gewidmeten Eingangschor »Da war ein Feuer in der Oper« zeichnete Pflüger für die Choreinstudierungen verantwortlich. Für die letztgenannte Arbeit erhielt er später den Kunstpreis der Stadt Dresden.
Hans-Dieter Pflügers Arbeitspensum blieb nicht auf den Staatsopernchor beschränkt. Lange Jahre leitete er auch den Sinfoniechor, den Extrachor der Staatsoper, und den Friedrich-Wolf-Chor Dresden, deren Laiensänger er sach- und fachkundig anleitete und motivierte. Hinzu kam seine ebenfalls langjährige Lehrtätigkeit als Dozent, später Professor für Chordirigieren an der Hochschule für Musik »Carl Maria von Weber«. Zu seinen Studenten zählten zum Beispiel Hans-Christoph Rademann (heute Leiter der Bachakademie Stuttgart), Christian Garbosnik (heute Kapellmeister an der Staatsoperette Dresden) oder Christian Möbius (heute Chordirektor am Brandenburgischen Staatstheater Cottbus). Umtriebig sorgte er dafür, seinen Studenten nicht nur vor dem Hochschulklavier, sondern auch vor realen Chören Dirigierpraxis zu vermitteln, wofür er sie zu seinen Laienchören und zu Bühnendiensten in die Oper mitnahm oder auch schon einmal mit aufs Land fuhr, wenn ein Student eine kleine Dirigieraufgabe mit einer Dorfkantorei absolvierte. Examenskonzerte blieben nicht auf die Hochschule beschränkt. Vielmehr schaffte er es, das Prüfungskollegium auch in Kirchen mitzunehmen, um Abschlussdirigate vor Kirchenchören zu beurteilen, wohlgemerkt: zu DDR-Zeiten.
Pflügers eindringlichen Warnungen vor Nachwuchsmangel war es letztlich zu danken, dass 1989 in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik das Opernchorstudio gegründet werden konnte, um junge Leute für den Beruf des Chorsängers nah an der Praxis ausbilden zu können. Etliche Absolventen singen heute im Staatsopernchor, und nach verschiedenem Auf und Ab besteht das Opernchorstudio weiter.
Professor Hans-Dieter Pflüger gebührt ein Ehrenplatz an der »Wall of Fame« des Dresdner Staatsopernchores. Seine künstlerische Sachkunde, gepaart mit Einfühlungsvermögen und Autorität im besten Sinne werden ein Maßstab für Chorarbeit mit Laien und professionellen Sängern bleiben.