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Eine herbe Enttäuschung

Foto: Oliver Killig

Für die Jazztage hat sich die Dresdner Philharmonie eine aufregende Programmfolge voller Grenzgänge erdacht: Sprühend Jazziges in Form von Leonard Bernsteins »Drei Tänzen« aus dem Musical »On the Town«, sinfonisch Tiefgründiges mit Kurt Weills im Exil fertiggestellter 2. Sinfonie und als Krönung die Erstaufführung von Philip Glass neuester Sinfonie. Letztere bringt die Auseinandersetzung des Amerikaners mit David Bowies legendären Alben der Berlin-Trilogie zu einem lange erwarteten Abschluss. Bereits die 1. Sinfonie aus dem Jahre 1992 bezog sich auf Bowies Album »Low«, vier Jahre später folgte die 4. Sinfonie, die mit Motiven aus »Heroes« arbeitete. Nun also nach über zwei Dekaden lässt sich Glass schließlich von »Lodger« zu seiner 12. Sinfonie inspirieren. Allerdings hat sich sein Zugang komplett gewandelt. Diesmal ist nicht die Musik, sondern sind die Texte des Albums Quelle der Inspiration.

Die Philharmoniker unter der Leitung von Dennis Russel Davies nehmen uns mit auf eine fantastische Reise, eine Fantastic Voyage, so der Titel des ersten Satzes. Hier erklingen diese minimalistischen Patterns, die für den Amerikaner so typisch sind, in atemberaubender Schönheit. Die gekonnte, vielfach erprobte und über die Jahre zur Perfektion gesteigerte Instrumentierungskunst des Altmeisters hüllt den Saal in ein ozeanisches Klanggefühl. Doch dieses Versprechen des ersten Satzes wird vom Rest der knapp 50-minütigen Sinfonie nicht eingelöst. Für den Großteil der verbleibenden sechs Sätze überdeckt der elektroakustisch verstärkte Text das Orchester. Eigentlich kann Angélique Kidjo singen und ist auch erprobt in Crossover-Projekten, wie ihr Grammy zeigt, den sie sich gemeinsam mit dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg ersungen hat. Bei Glass kommt die Qualität ihrer Stimme aber nur einmal im dritten Satz zum Tragen, wenn Kidjo die kurzen Phrasen von »Asante habari habari« singt. Sonst ist die Stimmbehandlung von einem unmelodiösen Sprechgesang bestimmt, dessen Ästhetik sich einfach nicht einfügen will. Die kurzen Vor- und Zwischenspiele des Orchesters und die präzise Gestaltung des Orgelparts durch die Organistin der Hamburger Elbphilharmonie Iveta Apkalna können den Eindruck nicht retten.

Die Erstaufführung scheint allerdings so viel Probenarbeit verschlungen zu haben, dass der erste Teil des Abends unterprobt klingt. Zwar zeugt der wunderbar schmetternd amerikanische Blechsound von der Wandlungsfähigkeit der Philharmonie, doch versinkt nach diesen vielversprechenden ersten Takten der Rest von Leonard Bernsteins drei Tänzen in einem unausgehörten, manchmal behäbigen Einerlei. Richtig gespielt, stecken diese sinfonisch-jazzigen Kleinodien voller rasanter Wechsel in Rhythmus und Instrumentierung. Doch von diesem an Mahler geschulten Witz Bernsteins hört man wenig an diesem Abend. Dennis Russel Davis kämpft hörbar mit dem Saal, in dem ihm besonders das Fortissimo wiederholt zu einem schmerzhaft lauten Klangbrei entgleist.

Russel Davies gelingt es auch nicht, die Wahl von Kurt Weills 2. Sinfonie als Mittelstück zwischen Bernstein und Glass musikalisch sinnfällig werden zu lassen. Die linke Hand des Dirigenten, die den Musikern gemeinhin Hinweise zur Interpretation vermittelt, hängt an diesem Abend meist schlaff neben dem Körper. Wie zum Trotz setzen vor allem die Bläser und der erste Cellist der Philharmonie ihre Soli gegen seine unentschiedene Lesart der Weillschen Sinfonie. So erklingt in den musikalisch ausgeloteten Solopassagen von Undine Röhner-Stolle, Kathrin Bäz, Stefan Langbein und Ulf Prelle die Idee eines ausgefallenen Abends im Konjunktiv. Es hätte so schön werden können!

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