Bei der Neueröffnung des Kulturpalastes vor nunmehr zwei Jahren schaute die Süddeutsche Zeitung voller Neid nach Dresden. Einen solchen „Kultraum für die klassische Musik im Herzen der Stadt“ würde München nie bekommen. Dresden traute sich, nach jahrelanger Debatte den alten Mehrzwecksaal, der nie wirklich für sinfonische Konzerte geeignet war, mit einem originären Konzertsaal zu ersetzen. Die Dresdner Philharmonie, deren wahre Klangqualität zuvor nur auf Konzertreisen zu erleben war, hat nun ihre lang ersehnte Heimstatt mit einer schokoladig weichen Akustik.
Zugleich bestand die Angst mancher Dresdner, dass der neue Saal nicht mehr für das bunte Potpourri des Populären geeignet sei. Objektiv betrachtet, ist er es auch wirklich nicht. Trotzdem zeigt ein Blick auf die Website des Hauses, dass im Saal an den meisten Abenden ein ähnlicher Kessel Buntes serviert wird wie vor dem Umbau. Neben den Fremdvermietungen an Agenturen für Ballett, Rock und populäres Allerlei finden sich auch einige Veranstaltungen “auf Einladung der Dresdner Philharmonie”.
Eingeladen waren nun auch die »Philharmonix«, ein Septett mit zwei Geigen, Bratsche, Cello, Kontrabass, Klarinette und Klavier, das die Vorankündigung als einen Zusammenschluss aus Mitgliedern der Wiener und Berliner Philharmoniker anpries. Unter den Musikern befinden sich auch wirklich der Konzertmeister der Berliner und der Soloklarinettist der Wiener. Eine solche Besetzung garantiert musikalische Qualität, so die Vermutung. Die haben noch rischtisch was jelernt, höre ich das Publikum in der Pause schwärmen. Die Vermarktungsstrategie rückt die Weihen der klassischen Musik klar in den Vordergrund.
Diese Boyband aus Spitzenmusikern hat mit klassischer Musik jedoch nichts gemein. Der Abend zwischen klassischen Ohrwürmern, Jazz, Pop und Folklore ist so bunt wie belanglos. Nur die bekanntesten Melodien eignen sich für das Repertoire des Ensembles: Waltzing Matilda, Stings »Englishman in New York«, »Feliz Navidad«. Die Bearbeitungen sind farbenreich und den virtuosen Fähigkeiten des Ensembles auf den Leib geschrieben, und doch in ihrer Summe einfach nur langweilig. Wer Silvesterkonzerte ohne Vollrausch aushält, kann sich an so etwas erfreuen. Und der nicht leere, aber bei weitem auch nicht ausverkaufte Saal klatscht begeistert und will sich amüsieren. Ich ziehe Sting und die Wiener Philharmoniker im Original vor.
Gerade ist in einer Umfrage in Großbritannien herausgekommen, dass nur ein Viertel aller 18-34jährigen Briten weiß, wer Mozart war. 20 Prozent der Befragten glauben, Bach sei noch am Leben. Wie wären die Zahlen in Dresden oder Deutschland? Klassische Musik braucht Wissen. Vermeintlich niedrigschwellige Angebote wie die der Philharmonix auf Einladung der Dresdner Philharmonie (oder »Kaiser im Palast«) ersetzen kein intellektuell stimulierendes Outreach-Programm und keine durchdachte Strategie, wie man einen solch hochspezialisierten Raum, diesen „Kultraum“ für klassische Musik in Dresden nutzt und positioniert.