Nehmen wir Abschied von Clara. Ludwig steht vor der Tür. Der musikalische Jubiläumsrummel zieht vom Schumann- ins Beethoven-Jahr.
Es gibt sie ja, diese miese Figur der europäischen Zeitgeschichte, bei der Deutsche und Österreicher gar nicht laut genug betonen konnten, sie würde „zur anderen Seite“ gehören. Und es gibt jene, die nur allzu gerne vereinnahmt werden. Selbst dem diesjährigen Literaturnobelpreisträger ist dies nicht erspart geblieben. Mit voreiligem Stolz ist Peter Handke da auch mal zum deutschen Schriftsteller ernannt worden. Deutschsprachig hätte genügt.
Die Musiksprache nun ist global und wird überall verstanden. Und dennoch: Bei Ludwig van Beethoven dürften sie sich wohl erst recht in die Haare kommen, die Aneigner einer unverdienten Historie und Möchtegern-Patrioten ihrer zufälligen Geburtsorte.
Geboren wurde der Komponist und Klaviervirtuose am 17. Dezember in 1770 Bonn, übersiedelte allerdings schon 1792 nach Wien, wo er am 26. März 1827 gestorben ist. Der Bonner Meister der Wiener Klassik – ein Deutscher, ein Österreicher, ein Europäer wogar?
Da hilft nur ein Blick in die Geschichte: Bonn am Rhein war seinerzeit Kurfürstliche Residenzstadt, Beethoven wurde also als Kurkölner geboren. Mit dem Wechsel an die Donau gelangte er ins Kaiserthum Oesterreich [sic!].
Europäer, vielleicht sogar Weltbürger? Mit seiner universal verständlichen Musiksprache ist er das auf jeden Fall, auch wenn er nicht annähernd so weit gereist ist wie die global vernetzte Trendsetter-Szene von heute.
Zum 250. Geburtstag wird nun so richtig aufgetischt. Bereits Mitte Dezember startete die eigens gegründete »Beethoven Jubiläums Gesellschaft« [noch einmal sic! – es gibt hier keine Bindestriche] ein überreiches Programm unter dem Motto »Beethoven neu entdecken«, das sage und schreibe mehrere Tausend Veranstaltungen umfassen soll. Dabei steht der runde Geburtstag, rechnen wir richtig, erst Ende 2020 bevor. Und wer nun ganz ehrlich ist, muss gestehen, dass der gar nicht bekannt ist, lediglich der Tauftag des 17. Dezember 1770 ist hinreichend belegt. Also wird der nun auch dem weltweiten Jubiläum dienen müssen.
Aneignung drückt sich auch in origineller Schreibweise aus:
In der Bundeskunsthalle Bonn wurde soeben »BEETHOVEN.Welt.Bürger.Musik« eröffnet. Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis absolvieren ein »Beethoven-Marathon« (immerhin mit Bindestrich und insgesamt 90 Veranstaltungen).
Im kommenden Mai wollen die beiden Beethoven-Städte Bonn und Wien per Live-Stream ein (kein Bindestrich:) »Open Air Event« zelebrieren, das aus der Donau-Metropole zur Bonner Hofgartenwiese übertragen werden soll.
Die Geburts- und Sterbestädte werden auch ganz real per »Musikfrachter« verbunden, der eine musikalische Flussfahrt von Bonn nach Wien absolvieren soll. Wie praktisch, dass es dafür inzwischen den Rhein-Main-Donau-Kanal gibt.
Ins Elbtal hingegen geht es nicht. Das bereiste Ludwig van Beethoven im Jahre 1796 höchstselbst, auf seiner Konzerttour von Wien via Prag und Leipzig gen Berlin stattete er auch dem kursächsischen Dresden eine Visite ab. Eine Woche lang hielt er sich im Hôtel de Pologne auf, konzertierte in den (soeben steuerteuer wiederhergestellten) Paraderäumen des schamlos noch immer als Residenzschloss bezeichneten ehemaligen Residenzschlosses und erhielt vom Kurfürschten gar eine goldene Tabatiere. Sieben Jahre vor ihm ist Wolfgang Amadeus Mozart im Elbtal abgestiegen, ebenfalls auf einer Konzertreise. Vielleicht ist Dresden damals ja europäischer gewesen als heute? Weltoffener wogar?
Auf jeden Fall gab es schon frühzeitig Bezüge des einstigen Residenzstädtchens zum Wiener Klassiker aus dem beschaulichen Bonn. Christian Gottlob Neefe, Kapellmeister der Seylerschen Theatergesellschaft in Dresden, gab Beethoven Klavierunterricht, sorgte später für die Veröffentlichung von dessen ersten Werken und weckte zudem sein Interesse für Philosophie und Politik. Und während des einwöchigen Aufenthalts dürfte der Meister auch Kollegen (Damen musizierten seinerzeit ja noch nicht im Orchester) der Hofkapelle begegnet sein. Deren Nachfolger (und nun auch Nachfolgerinnen) eröffneten dieser Tage schon mal das Dresdner Beethoven-Jahr und servierten die ersten drei Sinfonien gleich am Stück. Im kommenden Jahr wird nachgelegt, da erklingen dann die restlichen sechs Sinfonien (Nr. 4 und 5 schon im Januar) sowie die Messe C-Dur und nicht zuletzt etwas Kammermusik mit der Capell-Virtuosin Sol Gabetta.
Die Dresdner Philharmonie geht da anders heran und verbindet die neun Sinfonien mit Beethovens Streichquartetten sowie einer konzertanten »Fidelio«-Aufführung. Diese interessante Mixtur aus Sinfonie und Kammermusik reflektiert Beethovens musikalische Entwicklung vielleicht am deutlichsten und beweist ein originelles Herangehen an das Jubiläum dieses Giganten.