Durch und durch Dresdner: Der Pianist Peter Rösel ist international bekannt und beliebt, er wird seit Jahrzehnten weltweit gefeiert, ist in Dresden zu Hause und der Geschichte dieser Stadt durch nicht anders als tragisch zu nennende Umstände verbunden. Am 2. Februar 1945 kam er hier zur Welt; dass er elf Tage danach das Bombardement überlebt hat, ist einer Reihe von Zufällen geschuldet. Im Gegensatz zu anderen Menschen seines Jahrgangs und Kindern späterer Generationen kam für ihn kein anderer Beruf als der eines Musikers in Frage. So wurde er beizeiten zum musikalischen Botschafter dieser Stadt, der er bis heute treu geblieben ist.
Doch zunächst erlebte er die Musik bei sich zu Hause. Seine Mutter sang im Dresdner Opernchor, war noch im gereifteren Alter als einer der drei Knaben in Mozarts »Zauberflöte« zu erleben. Auch Rösels Vater, wiederum von den eigenen Eltern geprägt, wählte eine musikalische Laufbahn und wollte als Dirigent tätig sein. Doch das Nazi-Regime wählte anders und zog den hoffnungsvollen Mann kurz nach dem Ende seines Musikstudiums zum Militär. So wurden und werden Biografien zerstört.
Peter Rösel blieb dies erspart. Er erinnert sich, eher die Noten- als die Schriftsprache gelesen zu haben. Sein Großvater führte ihn ans Klavierspielen heran, hat aber wohl kaum ahnen können, damit die Weichen für einen der herausragenden Pianisten des 20. Jahrhunderts gestellt zu haben. Das nötige Rüstzeug für diesen Kurs erhielt Rösel in den fünf Jahren seines Klavierstudiums am Moskauer Tschaikowski-Konservatoriums bei Dmitri Baschkirow und Lew Oborin. Im Rückblick hält er aber auch die Begegnungen mit David Oistrach und insbesondere mit seinem Vorbild Swjatoslaw Richter für wichtig.
Das Studium war ebenso eine Auszeichnung wie die Teilnahme am Tschaikowski-Wettbewerb, wo er als erster Deutscher prämiert worden ist. Eine prägende Zeit für den Pianisten: „Als ich auch Moskau zurückkam, hatte ich erstmal den Geruch an mir desjenigen, der da laut und schnell eben die Musik der russischen Komponisten spielt.“ In der Tat ist Rösels Anschlag unverkennbar prägnant, ist seine Technik enorm virtuos und sind seine Interpretationen dennoch so kenntnisreich wie beseelt. Das Resultat einer gründlichen Schule, die er mit reichlich Talent und einer großen Menge an Fleiß absolviert hat.
Dennoch brachte ihn dies zunächst in eine Art vorschneller Einordnung: „Mein damaliger Repertoireschwerpunkt lag natürlich erst einmal eindeutig irgendwo zwischen Tschaikowski und Prokofjew. Diese zum Teil sehr virtuose Literatur bedingt natürlich auch ein kompromissloseres Üben und ein Mehr-Fleißig-Sein auf dem Instrument. Aber ich habe in diesen fünf Jahren sehr viel gelernt und verdanke eigentlich alles, was ich bin oder vielleicht in den Augen von Zuhörern darstelle, eindeutig dieser Schule.“
In derartige Schubladen lässt sich Peter Rösel heute schon längst nicht mehr stecken. Er hat natürlich gewisse musikalische Vorlieben, doch vor allem ist er auch offen und neugierig geblieben: „Es kam dann Anfang der 70er Jahre die Aufnahme der Brahms’schen Klavierwerke bei Eterna, da hat sich das Bild wieder etwas zurechtgeruckelt, aber trotz alledem wechselt man ja seine Vorlieben im Laufe eines längeren Lebens. Und nachdem ich dreißig Jahre lang russisches Repertoire gespielt habe, kam es dann doch zu anderen Schwerpunkten. In den vergangenen zehn, zwölf Jahren hab ich mit einer japanischen Firma eine Beethoven-Gesamtaufnahme eingespielt, sämtliche Sonaten und Konzerte, dazu auch noch sechs CDs mit den Mozart-Klavierkonzerten, also insgesamt zwanzig CDs für den fernöstlichen Markt.“ Da habe sich der Schwerpunkt seines Repertoires natürlich verlagert, „eindeutig in Richtung Beethoven, Mozart und Wiener Klassik überhaupt. Man erschließt sich eben schwerpunktmäßig im Laufe des Lebens verschiedene Bereiche.“
Im fernen Osten, insbesondere in Japan und China, ist Peter Rösel freilich nicht nur für den dort noch auf hohem Niveau befindlichen CD-Markt von großem Interesse, sondern wird regelmäßig auch als Interpret eingeladen und gefeiert. Seit 2007 ist er jedes Jahr mindestens dort. Aber der Pianist hat die Welt schon wesentlich früher nahezu grenzenlos bereisen können, schließlich war er 15 Jahre lang als fester Solist des Gewandhausorchesters Leipzig unter Kurt Masur verpflichtet, absolvierte pro Saison um die zwanzig Konzerte, zahlreiche Gastspielreisen inklusive.
Dass er seiner Geburtsstadt Dresden damals wie heute treu geblieben ist, hat möglicherweise auch mit den besonderen Umständen seiner Geburt, also seines Überlebens im Winter 1945 zu tun. Doch Dresden ist ihm auch darüber hinaus zur Herzenssache geworden: „Dresden ist meine Stadt, hier gibt es zwei fantastische Orchester, das ist eine reiche Kulturstadt, in der ich viele Freunde habe. Ich freue mich eigentlich jeden Tag, dass ich hier wohne. Für mich ist Dresden, auch wenn es ein bisschen pathetisch klingt, eine Art Kraftquell.“
Wo auch immer Peter Rösel in seiner langen Karriere gastiert hat, zog es ihn also stets wieder in sein Dresdner Refugium hoch über der Elbe zurück. Dort warten zwei schwarze Flügel auf ihn, an denen er nach Möglichkeit jeden Tag probt, übt, seinen Anschlag trainiert.
Schon bald wird Peter Rösel in Dresden auch wieder zu hören sein, am 9. Februar in einem – allerdings längst ausverkauften – Kammerkonzert der Reihe »Meisterwerke – Meisterinterpreten« im Königshof. Danach erst wieder nach seiner Rückkehr von der nächsten Tokyo-Tournee Anfang Juni zu den Dresdner Musikfestspielen.