Am kommenden Sonntag wollte er einen runden Geburtstag feiern, doch die Party fällt aus. Axel Köhler wird einfach nicht älter. Also begeht er heute am 17. April seinen 59. Geburtstag – zum zweiten Mal, wie er schmunzelnd gesteht. Denn das eigentlich anstehende Fest zum 60. muss Corona-bedingt ausfallen.
Aber man sieht ihm das wahre Alter ja ohnehin nicht an, dem so vielseitig tätigen Künstler Axel Köhler, der als Sänger im besonderen Stimmfach des Altus sowie als Regisseur und Opernleiter tätig gewesen ist und derzeit der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden als Rektor vorsteht. Dennoch bleibt natürlich die Frage, wie man in Zeiten von Corona solch einen runden Geburtstag begeht.
Der nach wie vor jugendlich wirkende Jubilar lässt wissen, dass ein großes Fest im Kulturkraftwerk geplant war, um die 60 zu feiern. Da Partys im Moment jedoch keine gute Idee sind, hat Axel Köhler seinen Geburtstag also schlicht abgesagt.
„Man muss die Feste feiern wie sie fallen. Und wenn sie eben nicht fallen, kann man sie nicht feiern, wird sie irgendwann nachholen. Da hab ich mir gedacht, bleib ich einfach 59, ist vielleicht auch nicht schlecht.“ Axel Köhler hat in seinem Leben gleich mehrere Karrieren gestartet. Und alle erfolgreich. Dieses Pensum klingt durchaus nach noch ein paar Jahrzehnten mehr. „In der Retrospektive liest sich so eine Biografie, als hätte es so kommen müssen, was aber gar nicht der Fall war. Ich hab eigentlich in meinem Leben immer aus der Not eine Tugend gemacht.“ Er sei ein „wenig hoffnungsvoller Violinstudent“ gewesen, sagt er, und beizeiten schon auf das Singen ausgewichen, „was mir sehr viel mehr Spaß gemacht hat, weil aus der Stimme einfach mehr rauskam als aus der Geige“, wäre aber wohl ein „mittelmäßiger Bariton geworden“ und „hätte den Beruf an den Nagel gehängt, wenn ich nicht auf die Idee gekommen wäre, als Altus zu singen, das war die schönere Stimme, das hab ich durch Zufall entdeckt.“
Durch Zufall entdeckt beim studentischen Singen! Weil er es einfach mal ausprobiert hat, mit der Kopfstimme in höhere Lagen zu transponieren. Abertausende Musikfreunde insbesondere der Barockoper dürften sich darüber nachhaltig freuen.
„Dann bin ich zufälligerweise nach Halle engagiert worden, in die Geburtsstadt von Georg Friedrich Händel, wo ich mit den Händel-Festspielen in Berührung gekommen bin und versucht habe, diese Altus-Schiene auszubauen. Und das ist ganz gut gelungen.“
Dieses „ganz gut gelungen“ ist natürlich die reinste Untertreibung, denn Altus Axel Köhler wurde mit seiner Gesangskunst zum Star. „Die erste, die mir wirklich geholfen hat, war Marianne Fischer-Kupfer, die Frau von Harry Kupfer, die ja auch Jochen Kowalski entdeckt hat, und die mir sagte, ich solle das durchaus tun.“
Von Halle aus startete Axel Köhler eine große Karriere, war in München, Wien und London gefragt, gastierte bei den Salzburger Festspielen, sang mit renommierten Alte-Musik-Ensembles und erweiterte sein Spektrum auch hin zu Neuer Musik, etwa in der Zusammenarbeit mit Siegfried Matthus (»Farinelli«) und Hans Werner Henze (»L’Upupa«), sowie zur Operette. Insbesondere als Prinz Orlowski in »Die Fledermaus« von Johann Strauß ist er an zahlreichen Bühnen Europas zu erleben gewesen.
Sein persönlicher Rückblick kurz vor dem (nun ausfallenden) Jubiläum: „Es ergab sich dann vieles, wo ich das Gefühl hatte, ich war auf dem richtigen Dampfer. Es kamen dann die großen Häuser und die entsprechenden Partien. Aber es kam auch die Einsicht, dass es mit dieser Art Singen nicht endlos weitergehen wird.“ Eine Einsicht, die sich vor allem aus dem Ende der vielbeachteten Barockserien an mehreren großen Häusern nährte. Doch dieses Aufhören bedeutete für Axel Köhler – wie stets – ein neues Anfangen.
„Und da kam ich dann auf die Idee mit der Regie. Im Nachhinein liest sich das immer so, als hätte das so kommen müssen. Aber es war eigentlich immer ein Suchen dem Weitergehen, ein Suchen nach dem Bewahren und der Existenz, der künstlerischen Arbeit.“
Geradezu zwangsläufig erinnert sich Axel Köhler im Rückblick an Weggefährten und Vorbilder: „Meine erste Produktion mit Peter Konwitschny war ja auch meine erste als Countertenor. Das war unglaublich interessant, weil er ja damals auch noch keinen Händel inszeniert hatte. Doch die Herangehensweise, dieses gemeinsame Entwickeln, das miteinander Erarbeiten, das Zulassen von Darstellermeinung, das war für mich ein toller Prozess.“ Vergleichbares hatte Axel Köhler sowohl im Studium bei Andreas Baumann als auch später bei Harry Kupfer erlebt. „Dass man zum Schluss den Eindruck hatte, das hat man selber getan. Und das war für mich schon ein wichtiger Punkt, es auch einmal selbst zu versuchen.“ Dutzende Inszenierungen sind von diesen Erfahrungen geprägt und haben sie weiterentwickelt. In Dresden waren dies nicht zuletzt Webers »Freischütz« an der Semperoper und Mozarts »Figaro« an der Staatsoperette. Als (vorerst?) letzte Regiearbeit absolvierte Axel Köhler 2019 zu den Erfurter Domstufen-Festspielen seine erste Musical-Produktion, indem er die Uraufführung von »Der Name der Rose« nach dem gleichnamigen Roman von Umberto Eco inszenierte.
Eine bewegte Bühnenkarriere also von nunmehr gut dreieinhalb Jahrzehnten. Unzählige Eindrücke, Erlebnisse und Erfolge. Axel Köhler hat alles erreicht, was man sich als Geburtstagskind wünschen kann. „Ich hatte nie eine Lieblingspartie, ich habe aber viele Partien geliebt, wenn sie denn da waren. Und so war das bei den Stücken auch, dass ich eigentlich nur glücklich zurückschauen kann, dass ich all das erleben durfte.“
Seit 2019 ist Axel Köhler Rektor der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber. Jenem Haus, an dem er einst Geige und Gesang studiert hat. So schließen sich Kreise zu immer wieder neuem Beginnen.