Nun aber soll das Ganze professionell angelegt werden. Schließlich weiß immer noch niemand, wann nach all den Wortschöpfungen wie „Shutdown“, „Lockdown“, „Homeoffice“ und „Homeschooling“ wieder eine Normalität eintreten wird, die nicht zwangsläufig als „neue Normalität“ bezeichnet werden muss. Unter den momentanen Bedingungen ist schließlich nichts mehr normal, nicht einmal mehr annähernd normal.
Dresdens Semperoper wagt einen klitzkleinen Neustart. »Semper:Donnerstag« heißt diese zwangsoriginell betitelte Reihe, die heute Abend mit einem Dreh auf der Opernbühne eingeläutet wird. Da singen zwei Solistinnen und ein Solist des Hauses, am Flügel begleitet vom Studienleiter des Hauses, gegen die Wand an. Gegen die Wand des verordneten Schweigens, gegen die Wand der Hinterbühne der Semperoper. Das heißt, sie haben in ihrem Rücken die zwangsweise leeren Reihen des Parketts. Vielleicht werden auch die ersten Ränge mit im Bild sein.
Da dürften eindrucksvolle Bilder zu erwarten sein, wenn Damen und Herren, die es gewöhnt sind, vor Publikum aufzutreten, uns nun das leere Gestühl vor Augen führen. Garniert allerdings mit dem, was wir von ihnen kennen und an ihnen lieben: Beste Gesangskunst und Faszination durch die Kraft der Musik.
Im Fokus stehen zunächst Christa Mayer, Tuuli Takala und Sebastian Wartig mit Johannes Wulf-Woesten am Klavier. Ihr »Semper:Donnerstag«, soll ab dem 28. Mai online verfügbar sein. Eine Woche später, am 5. Juni 2020, werden Katerina von Bennigsen, Stepanka Pucalkova, Matthias Henneberg und Gerald Hupach mit den Liebeslieder-Walzern von Johannes Brahms ebenfalls auf der Semperoper-Website zu erleben sein. Die weiteren Programme werden sukzessive bekanntgegeben. Die Reihe dürfte deutlich machen, was der Musikwelt in diesen Zeiten besonders fehlt: Der direkte Kontakt zwischen Interpreten und Publikum, der unmittelbare Moment von Stimmentfaltung und Wirkung, die Emotionalität und der zu Herzen gehende Zauber. Kurz: Sinnlichkeit.